BILD-Zeitung Dresden, 14.08.2001
Billig-Zinsen für Millionäre
Hauskredit ab 0,5 Prozent...
DRESDEN. Ihren Spitznamen „Frau Raffzahn" hat sie nicht zu Unrecht. Agnes Hürland-Büning (75), früher Staatsekretärin im Verteidigungsministerium. Eine schier unendliche Liste von Einnahmequellen wird ihr nachgesagt.
Jetzt kommen neue Vorwürfe. In Weixdorf kaufte sie für 2,1 Millionen Mark neun Sozialwohnungen. Finanziert mit spottbilligen staatlichen Krediten. Zinssatz ab 0,5 Prozent. Vermutlich sparte sie so auch noch eine halbe Million Steuern.
Kein Einzelfall: Der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle (56) legte eine Liste mit 54 Sozialwohnungen im Raum Dresden vor.
Alle gingen zu Traumkonditionen an eine Handvoll Personen aus dem Staatsdienst und dem Dunstkreis von„Frau Raffzahn". Das Geld kam von der Sächsischen Aufbaubank. Zwölf Jahre lang öffentlich geförderte Zinsen...
Ein wichtiger Mann in diesem Geflecht war Karl-Heinz Carl (74 Spitzname „Goldfinger"), bis 1999 Finanzstaatssekretär in Dresden und zuvor ein Kollege von „Frau Raffzahn". Auch er kaufte zwei Wohnungen, sein Sohn ein Appartement. Sechs Wohnungen gingen an einen weiteren Bekannten, den Fußballer Olaf Thon (35) von Schalke 04.
„Nach meinen Informationen", so Nolle, „besitzt Familie Carl noch weitere öffentlich geförderte Wohnungen. Sie wurden offenbar dutzendweise an Freunde und Verwandte verschoben." Dabei waren die SAB-Kredite vor allem für kapital-schwache Familien aus Sachsen gedacht, nicht für west-deutsche Millionäre.
„Ja, ich kenne Frau Hürland gut , sagt Karl-Heinz Carl.: „Wir waren doch Kollegen im Verteidigungsministerium. In die Immobilien habe ich eigenes Geld investiert. Ganz legal in ein Programm des Freistaates Sachsen. Das konnte jeder machen.“
Und was ist mit dem Gerücht, die Wohnungen wären mit „Leuna-Millionen“ bezahlt (Bestechungsgelder aus dem Verkauf der Leuna-Werke)? Carl: „Ich habe von dem Geld jedenfalls nichts abbekommen."
(Dieter Schlüter)