BILD Zeitung, 17.09.2001
Jetzt wackelt Biedenkopfs Thron
CDU wählt Intimfeind von König Kurt zum Parteichef – Milbradt gewinnt Machtkampf
GLAUCHAU. Die Wut war Kurt Biedenkopf (71, CDU) deutlich anzusehen. Als das Wohlergebnis verkündet wurde, führte er mit hochrotem Kopf seine Kaffeetasse zum Mund. Niederlagen schmecken bitter.
Gegen seinen ausdrücklichen Willen wählte der CDU-Parteitag in Glauchau Intimfeind Georg Milbradt (56) zum neuen Landesvorsitzenden! Und zwar mit deutlicher Mehrheit: 131 von 227 Delegierten stimmten für Milbradt, 57,7 Prozent.
Biedenkopf musste schwer schlucken. Der Mann, den er politisch fertig machen wollte, landet ein Comeback. Sein Favorit und Ziehkind hingegen, Umweltminister Steffen Flath (44), verlor die Wahl haushoch. Das Ende der Ära Biedenkopf?
Der MP hatte gegen Milbradt wirklich alle Register gezogen: Weil er als Minister Ambitionen zeigte, Bikos Nachfolger zu werden, kanzelte ihn der König als „miserablen Politiker“ ab. Im Januar dann schmiss er seinen Finanzminister raus.
Er dichtete Milbradt eine Mitschuld an seiner Miet-Affäre an. Die halbe Ministerriege musste in Jammer-Ton das Parteivolk vor dem bösen Georg warnen.
Schließlich stellte sich Biedenkopf noch, kurz vor der Entscheidung deutlich auf die Seite des Kontrahenten Flath. Nur mit ihm sei ein Generationswechsel möglich: „Das ist der einzige Weg zum politischen Erfolg für dieses Land.“ Vergeblich. Milbradt war nicht mehr zu kippen. Das Finanzgenie erwies sich als exzellenter Taktiker, fuhr voll auf Versöhnung und sprach Biko in der Sachsenlandhalle mit „Lieber Kurt" an: „Unsere Gemeinsamkeiten umfassen doch weit mehr als das, was uns trennt..."
Der liebe Kurt muss innerlich gekocht haben! Nahezu wortlos gratulierte Biedenkopf Milbradt zum. Sieg. Ein eiskalter Händedruck, sonst nichts.
Doch der Kampf ist noch nicht vorbei. Biedenkopf legte seinem Widersacher gestern neue Steine in den Weg. Vor der Wahl war allen klar, dass es hier auch um den Kronprinzen geht. Mit verkniffenen Lächeln ruderte der MP dann im ZDF zurück: „Wir haben heue nicht über die Nachfolge entschieden...“
(Sven Günther und Bernd Schullcke)