Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 02.10.2001

Das größte Fußball-Theater der Welt

Nolle beim Spiel Energie Cottbus gegen Schalke 04
 
GELSENKIRCHEN. 7.30 Uhr, Landtagsgebäude. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, Sprecher für Wirtschaft und Energie-Politik, steigt ein in eine Caravelle, die uns zum Auswärtsspiel von Energie Cottbus bei Schalke 04 bringen soll.



Wir werden in der Loge 12 Platz nehmen, denn die Karten gewann Nolle beim Sommerfest der Sächsischen Landespressekonferenz für den originellsten Spruch. „Wo geht's denn hier zur Staatskanzlei?" war die Frage. Nolles Antwort: „Immer den Bach runter."

Der 56-Jährige wollte natürlich nicht mit leeren Händen vor Eduard Geyer, seinem Lieblingstrainer in der Bundesliga, stehen. Deshalb besorgte er drei exzellente Flaschen Bordeaux, dazu wollte er sich in Schal, Basecape und Trikot aus dem Energie-Fanshop werfen. Allerdings passte das Schwergewicht nicht mal in ein XXL-Dress rein...

Die Schalke-Arena - da tauchte sie nach sechs Stunden Fahrt urplötzlich auf. Eine Riesenhalle ähnlich der Gläsernen Manufaktur in Dresden. Der VIP-Parkplatz hatte natürlich eine eigene Nummer. Unsere - die 257 - fanden wir nach zehn Minuten. Das Anweisen klappte übrigens wunderbar.

Aber nun kam's drauf an: Die Weinflaschen in den „Hochsicherheitstrakt" hinein bringen. Der erste Schritt war kein Problem. Jeder Besucher löst mit seiner Eintrittskarte die Blockade des vergitterten Drehkreuzes. Doch dann wurde's eng. Die Schalke-Security lässt jeden der 60 204 Zuschauer durch einen Metalldetektor, wie sie auf Flughäfen üblich sind, schreiten. Bei jedem Gast ein Pfeifton - denn jeder hat Auto- oder Wohnungsschlüssel, Kugelschreiber etc. am Mann. Das Prozedere dauert bis zum glücklichen Erreichen des Sitzplatzes etwa eine halbe Stunde.



Doch für uns kam das Stoppzeichen. Die Flaschen! Etwa fünf Minuten redete Nolle auf die Security ein und beteuerte, dass die „Schmuggelware" Geschenke für seine Freunde von Energie seien. Kein Erbarmen in den Mienen des weiblichen (!) Einlassdienstes! Kurzkommentar: „Wenn wir das ein Mal zulassen, bringt jeder seine eigene Flasche mit." Logisch, das sitzt! Noch ein letzter Versuch: „Aber wir sitzen doch in der Loge und können die Flaschen niemals als Wurfgeschosse einsetzen..." Über Funk wird die Chefin heran gerufen. Die merkte, dass es uns sehr ernst mit unseren Geschenkvorstellungen fürs Cottbuser Präsidium war. Und bot einen Kompromiss an. „Wenn wir auf dem Weg zur Loge auf keinen Meter in Sichtweite mit dem Rasen kommen und die Flaschen im Kühlschrank deponieren, ist alles gut." Es ging alles gut... Jetzt aber wieder nach unten, um das VIP-Band für die Loge 12 abzuholen. Karten vorzeigen und - kein Bändchen! Wir waren am falschen Stand - da gab's nur die roten für die Business-Lounge. Wir bekamen an anderer Stelle die violetten und durften mit der Rolltreppe wieder nach oben. Doch die Loge war verschlossen. In einem zugeschweißten Briefcouvert brachte ein Extra-Mitarbeiter den goldenen Sicherheitsschlüssel. Nun standen wir tatsächlich - 60 Minuten vor Spielbeginn - in der viel gerühmten, größten Fußball-Halle der Welt. Überwältigend! Ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern an einem Tag, die Arena - ein Theater. Als wenn man in die Semperoper ginge.



Jeder Schritt „Auf Schalke" ist jedoch reglementiert. Ein Beispiel: Bei Hunger kann auch der Logengast nicht einfach an den Bratwurststand (eine Wurst 5 Mark) gehen. Der Hinweis: „Sie sind doch VIP-Gast und müssen beim Kellner bestellen." Eine Loge (für zehn Personen) kostet im Jahr übrigens 150 000 Mark, ist dafür täglich nutzbar. Firmen und Sponsoren sind die Hauptmieter.
Dann endlich Spielbeginn! Im Riesenlärm versteht keiner den Nachbarn. Die Leute feiern sich und ihren Verein schon zwei Stunden vor dem Anpfiff.



Die Arena kostete 350 Millionen Mark, wurde von Verein und Stadt finanziert. Allein für den Kredit fallen pro Jahr 30 Millionen Mark Zinsen an - ob das gut geht? Um die Arena in die schwarzen Zahlen zu führen, müssten an 111 Tagen im Jahr ausverkaufte Veranstaltungen stattfinden. Konzerte, Musicals und Events aller Art werden im „Schalke-Theater" aufgeführt.

Während des Spieles faucht einem urplötzlich ein metallischer Klang um die Ohren. Ein Zwischenergebnis wird auf dem Kinowürfel unterm Hallendach angezeigt. Aber nicht immer, manchmal faucht es auch und man liest: „Oddset spielen!"



Schlusspfiff, Energie hat 0:2 verloren. Und Schalke-Aufsichtsrat Jürgen W. Möllemann hat in 90 Minuten sechs Glas Weißwein vernichtet... Wir haben bei der Übergabe unseres Weines überhaupt keine Probleme - dank einer Mixed-Zone-Karte für Journalisten. Ede Geyer, Manager Klaus Stabach und Präsident Dieter Krein sind überrascht - keiner kennt Karl Nolle. Doch sie finden schnell einen Draht. Und auf die Aufforderung, den Wein erst nach geschafftem Klassenerhalt zu trinken, entgegnet Geyer in seinem typisch schroffen Ton: „Bis dahin erwarten wir von Ihnen noch 'ne weitere Ladung!"
(Gert Zimmermann)

Karl Nolle im Webseitentest
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