Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.01.2000

Streit um das Sorgenkind Lausitz

CDU und Opposition geben sich in emotionsgeladener Debatte gegenseitig Schuld an Problemen der Regio
 
DRESDEN. 6. Sitzung des dritten Sächsischen Landtages - Das Interesse der Abgeordneten für die Lage in der Lausitz hielt sich in Grenzen. Als das Thema während der Aktuellen Stunde aufgerufen wurde, verließ etwa die Hälfte der Anwesenden vorübergehend die Plätze. Die im Saal Gebliebenen lieferten sich eine heftige Debatte.
Die meisten Redner sind selbst zwischen Kamenz und Zittau zu Hause. Allerdings sehen sie die Region durch sehr unterschiedliche Brillen. So warf der Weißwasseraner Thomas Jurk, dessen SPD-Fraktion die Lausitz-Debatte beantragt hatte, der sächsischen Regierung eine "nicht vorhandene Strukturpolitik" für die Lausitz vor. Lippenbekenntnissen müsse jetzt konkretes Handeln folgen. Der sächsische Osten sei "wieder attraktiv geworden", fand dagegen CDU-Vertreter Heinz Lehmann aus Neusalza-Spremberg. "Aber Nestbeschmutzer verunglimpfen die Lausitz." Mehrmals empfahl Lehmann einen Blick ins Internet unter www.oberlausitz.com, was die Opposition mit Kopfschütteln und Gelächter quittierte. PDS-Frau Ingrid Mattern aus Weißwasser sagte, die Lage dürfe nicht schöngeredet werden. Sie schlug vor, in der Region ein so genanntes Regionalmanagement zu schaffen, das über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden und auf einen besonderen Strukturentwicklungsfonds zurückgreifen könne. Worauf CDU-Redner Andreas Lämmel als erster Nicht-Lausitzer in der Debatte erwiderte, erst einmal sollten die vorhandenen Schaltstellen genutzt werden, so die Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen. In Richtung SPD sagte Lämmel, auch der Bundeskanzler könne sich öfter in der Lausitz blicken lassen. Heinz Lehmann attackierte ebenfalls die rot-grüne Bundesregierung: Sie solle sich für die Rettung des angeschlagenen Textilunternehmens Erba-Lautex stark machen. "Schuld sind immer die anderen", rief Thomas Jurk dazwischen. Heinz Eggert aus Zittau brachte mit der Textil- und Garnveredlung ein weiteres Sorgenkind zur Sprache und schmollte: "Der Betriebsratsvorsitzende redet nicht mit mir, weil ich in der CDU bin." Worauf Hanjo Lucassen für die SPD kommentierte: "Beim Problem Lausitz liegen bei der CDU die Nerven blank." Unter Anspielung auf das am Donnerstag mit Brandenburg vereinbarte Förderungspaket sagte Lucassen, diese hektischen Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums deuteten auf viele Probleme in der Region hin. "Wirtschaftspolitik im Blindflug und ohne Navigation" warf Karl Nolle (SPD) der sächsischen Regierung vor, für die Europaminister Stanislaw Tillich (CDU) aus Panschwitz-Kuckau mit Zahlen konterte: Seit 1990 seien in der sächsischen Lausitz mit insgesamt 7,5 Milliarden Mark 2 300 Vorhaben gefördert worden, etwa 80 Prozent der Summe seien an kleine und mittelständische Betriebe gegangen. "Die Lausitz stand und steht im Mittelpunkt der Anstrengungen der sächsischen Staatsregierung", erklärte Tillich. Mit der gleichen Begründung lehnte die CDU-Mehrheit einen Antrag der SPD ab, einen Sonderbeauftragten für die Lausitz zu verpflichten. Die Regierung verwies auf Wirtschafts-Staatssekretär Wolfgang Vehse (CDU), dem für die Region bereits besondere Vollmachten übertragen worden seien.
(von Tilo Berger)

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