Sächsische Zeitung, 11.10.2001
Biedenkopf lüftet ein kleines Steuergeheimnis
Sachsens Regierungschef droht SPD-Politiker Nolle mit Gericht
DRESDEN. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat dem Landtagsabgeordneten
Karl Nolle mit gerichtlichen Schritten gedroht. Der SPD-Politiker hatte zuvor den Regierungschef und dessen Frau mit den Worten angegriffen: "Sie zahlen real alle Steuern in Düsseldorf, nicht in Sachsen. Sie haben noch nie in Sachsen Steuern gezahlt." Das seien Informationen, so Nolle, "aus bestens informierten CDU-Kreisen". Sollte Nolle seine Behauptung wiederholen, würden "auch in diesem Fall die Gerichte bemüht", hieß es dazu in einer Mitteilung der Staatskanzlei. Das Ansehen des Ministerpräsidenten werde durch verschiedene Aussagen "systematisch beschädigt".
Hintergrund des Streits: Nolle will die Frau des Ministerpräsidenten als Zeugin vor den Paunsdorf-Untersuchungsausschuss laden. Der Ausschuss soll die Frage klären, ob Ingrid Biedenkopf möglicherweise an jener Firma als stille Gesellschafterin beteiligt ist, bei der sich der Freistaat im Behördenzentrum Paunsdorf eingemietet hat. Dabei tauchte auch die Frage auf, wo der Ministerpräsident und seine Frau ihre Steuern zahlen.
Um dies zu klären, hat Kurt Biedenkopf den Freistaat Sachsen gestern teilweise vom Steuergeheimnis befreit. Daraufhin konnte das zuständige Finanzministerium mitteilen, dass "der Ministerpräsident und seine Gattin mit allen ihren Einkünften bei einem Finanzamt in Dresden veranlagt werden und somit auch hier ihre Steuern entrichten". Die Staatskanzlei bestätigte das in einer Mitteilung. Auf Nachfrage erklärte Regierungssprecher Michael Sagurna, das sei so, seit der Ministerpräsident hier lebe.
PDS mahnt Mäßigung und Sachlichkeit an. Nolle hat allerdings nicht vor, sich von seiner Äußerung zu distanzieren: "Soll Herr Biedenkopf doch sagen, seit wann er seine Steuererklärung in Dresden abgibt." Politische Attacken des SPD-Mannes hatten schon vor Monaten letztlich zum Auszug des Regierungschefs aus der Dienstvilla in der Dresdner Schevenstraße geführt. Nolle erhielt gestern Rückendeckung durch SPD-Fraktionschef Thomas Jurk. Der wies die Äußerung Biedenkopfs scharf zurück, mit Nolle sei die SPD "auf den Hund gekommen". Jurk verteidigte den Antrag, Ingrid Biedenkopf vor den Untersuchungsausschuss zu laden.
Wegen der Paunsdorf-Affäre hatte Biedenkopf bereits vor Tagen Anwälte beauftragt, gegen den pensionierten Staatsbeamten Norbert Steiner vorzugehen. Die "Bild"-Zeitung hatte Steiner mit den Worten zitiert, das Behördenzentrum Paunsdorf sei "nicht der einzige Fall, in dem Ingrid Biedenkopf dem Freistaat großen Schaden zugefügt hat". Ausgangspunkt sind Aussagen Steiners, Ex-Chef des Leipziger Liegenschaftsamtes, im Untersuchungsausschuss. Steiner war es, der von Ingrid Biedenkopfs stiller Beteiligung an der Vermietung des Paunsdorfer Bürohauses gesprochen hatte.
PDS-Politiker André Hahn forderte Biedenkopf und Nolle inzwischen zur Mäßigung und zur Rückkehr auf die sachliche Ebene auf. Frau Biedenkopf könne die Unklarheiten um Paunsdorf ein für allemal aus der Welt schaffen, am besten durch eine eidesstattliche Versicherung gegenüber dem Ausschuss, sagte Hahn. Geschrieben sei eine solche Erklärung bereits, ist von Regierungssprecher Sagurna zu hören. Sie liege bei dem Anwalt, der juristisch gegen den Zeugen Steiner vorgeht. Vorgesehen sei sie jedoch nur für den Fall, dass sie vor Gericht gebraucht werde. Für den Untersuchungsausschuss sei die Erklärung bisher nicht gedacht.
Norbert Steiner erklärte der SZ, er habe seine Aussage außerhalb des Ausschusses nie wiederholt. "Dem, was ich im Ausschuss und schon vorher der Polizei sagte, habe ich nichts hinzuzufügen. Von dem habe ich aber auch nichts wegzulassen", sagt Steiner, der in dieser Sache selbst schon an Biedenkopf geschrieben hat.
(Thomas Schade)