Sächsische Zeitung, 27.11.2001
Die Miete "diktiert"?
Neue Unterlagen: Biedenkopf übernahm Barths Forderungen fast wörtlich
DRESDEN. Bei der vom sächsischen Rechnungshof beanstandeten Anmietung des Behördenzentrums (BHZ) Paunsdorf ist Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) offenbar fast wörtlich auf die Forderungen des Investors Heinz Barth eingegangen. Das geht aus einem jetzt aufgetauchten Schreiben des Kölner Unternehmers vom 29. Juni 1993 hervor. Darin nennt Barth seinem Freund nicht nur jene sächsischen Behörden (Polizei, Rechnungshof, Staatsarchiv), die in dem Bürokomplex untergebracht werden sollen. Er teilt auch die "Grundlagen" für die Mietverträge mit.
Mieter und Mietkonditionen finden sich fast wörtlich in jenem Vermerk wieder, den Biedenkopf am 1. Juli 1993 für den Finanzminister fertigte. Er gilt bei der Opposition im Paunsdorf-Untersuchungssausschuss des Landtages als Beleg für die sächsische Amigo-Affäre zwischen Biedenkopf und dessen langjährigem Freund Barth. Der Regierungschef hat im Untersuchungsausschuss nicht bestritten, das Projekt wohlwollend begleitet zu haben. Zum Nachteil des Freistaates habe er dabei nie gehandelt. Das nun aufgetauchte Schreiben der Barth-Firma FTG nährt daran Zweifel. Der Investor wollte die Gebäude nach 15 Jahren "zum 15-fachen der dann gültigen Jahresmiete", mindestens jedoch zum 13-fachen, an den Freistaat verkaufen. Dieses Mindestangebot fehlt in Biedenkopfs Vermerk. Er nennt im Vermerk nur die 15-fache Jahresmiete. Bei einem Jahresmietzins von rund 15 Millionen Mark (7,66 Millionen Euro) hätten beim Erwerb der Immobilie möglicherweise 30 Millionen Mark (15,3 Millionen Euro) gespart werden können.
Nolle: 400-Millionen- Geschäft für Amigo
Der Staatskanzlei, so der stellvertretende Regierungssprecher Hartmut Häckel, war dieses Schreiben bis gestern nicht bekannt. Häckel betonte, der Ministerpräsident habe sich um Paunsdorf gekümmert, wie um viele andere Projekte. Die Entscheidung über die Anmietung habe das Finanzministerium getroffen.
Die Opposition im Untersuchungsausschuss sieht das anders. SPD-Politiker
Karl Nolle, Obmann seiner Fraktion in dem Gremium, sieht darin den Beleg dafür, dass Barth seinem "Duzfreund" die Mietkonditionen "diktiert" habe. Biedenkopf habe "zum Schaden des Freistaates gehandelt", da weder Vergleichs- oder Alternativangebote eingeholt wurden und keine Ausschreibung stattgefunden habe. Biedenkopf sei "williger Vollstrecker" eines 400-Millionen-Geschäftes für einen Amigo gewesen.
Tatsächlich waren Investor und Regierungschef schon seit 1990 wegen des Standortes Paunsdorf im Kontakt. Damals bat Barth den Regierungschef schriftlich, "dafür zu sorgen", dass das Projekt Paunsdorf von der Leipziger Stadtverwaltung und der Stadtverordnetenversammlung innerhalb von vier Wochen behandelt werde. Barth nutzte seine Kontakte zum Regierungschef möglicherweise auch, um im Wettbewerb der Investoren im Leipziger Speckgürtel Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Denn er schrieb: "Eine möglichst schnelle Realisierung des Einkaufszentrums Lehdenweg", so hieß das Projekt anfangs, sei "deshalb notwendig, damit andere Bauvorhaben" in ähnlicher Größenordnung "verhindert werden".
(SZ/ts)