Dresdner Morgenpost, 28.11.2001
Hat Biedenkopf den Ausschuss belogen?
Gelogen oder vergessen? Biedenkopf korrigiert sich
DRESDEN - In der Paunsdorf-Affäre ist der Verdacht aufgetaucht, Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) habe den Untersuchungsausschuss belogen. Das behauptet der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle. Er verweist auf den jetzt aufgetauchten Brief des Investors Heinz Barth, der genaue Angaben über das Projekt Paunsdorf enthält und sich fast wortgleich in einem Biedenkopf-Vermerk wieder findet. Der Ministerpräsident hatte aber vor dem Ausschuss bestritten, sich bei seinem Vermerk auf Angaben Barths gestützt zu haben. Vergessen oder gelogen?
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) wird wohl ein zweites Mal vor den Paunsdorf-Ausschuss des Landtags treten müssen. Die PDS will ihn erneut vorladen. Es seien zu viele Widersprüche zu seinen Aussagen vom Februar aufgetaucht, sagte ihr Abgeordneter André Hahn.
Den Anstoß für die Forderung gab der Brief des Paunsdorf-Investors Heinz Barth an Biedenkopf vom 29.6.93, der dem Untersuchungsausschuss erst kürzlich zuging. Auf zwei Seiten nannte er darin seine Wünsche für die geplante Vermietung des Leipziger Behördenzentrums. Biedenkopf übernahm den Text zwei Tage später fast wortgleich in seinen bekannten Vermerk an Finanzminister Milbradt (CDU, Morgenpost berichtete).
Der SPD-Obmann Karl Nolle warf Biedenkopf gestern unumwunden vor, den Ausschuss belogen zu haben. Der Ministerpräsident habe damals ausgeschlossen, dass Barth ihm die Angaben zu dem Vermerk zusammengestellt hätte. Es habe nicht einmal schriftliche Stellungnahmen von Barth gegeben, hatte Biedenkopf erklärt.
Gestern musste er sich korrigieren. Seinen Regierungssprecher Michael Sagurna ließ er ausrichten, er habe sich „an nichts Schriftliches erinnert". Inzwischen vermute er, dass er damals selbst den Brief von Barth bestellt habe, sagte der Sprecher für seinen Chef. Übrigens sei das Schreiben in der Staatskanzlei nicht vorhanden. Auch sonst hatte Sagurna gestern einen schwierigen Job. Die wenigen Abweichungen der Formulierungen zwischen Brief und Vermerk wertete er sogar als Beweis, dass sich Biedenkopf nicht alle Wünsche von Barth zu Eigen gemacht habe. Nur dass es eilt, habe Biedenkopf genauso wie sein Freund Barth gesehen.
Und noch eine Abweichung gab's: Barth wollte dem Freistaat nach 15 Jahren ein Ankaufsrecht zum 15-fachen, mindestens aber zum 13-fachen einer Jahresmiete einräumen. Biedenkopf legte in seinem Vermerk fest: „zum 15fachen".
(Stefan Rössel)