ap - Associated Press, 17.31 Uhr, 27.11.2001
SPD wirft Biedenkopf in Paunsdorf-Geschäft Vetternwirtschaft vor
Zum Nachteil des Freistaates Sachsen - PDS droht mit gerichtlicher Durchsuchung in Staatskanzlei
Dresden. (AP) Dem sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf sind nach Einschätzung des SPD-Landtagsabgeordneten
Karl Nolle die Bedingungen für die Anmietung von Büroräumen im Leipziger Behördenzentrum `Paunsdorf" regelrecht diktiert worden, und zwar zum Nachteil des Freistaates. Nolle verwies am Dienstag in Dresden auf ein Schreiben des mit dem CDU-Politiker befreundeten Kölner Bauunternehmers Heinz Barth.
Dieser soll Biedenkopf in einem Brief der Finanztreuhand vom 29. Juni 1993 die Konditionen genannt haben, zu denen Landesbehörden in das ein Jahr später gebaute `Paunsdorf-Center" einziehen könnten. Nolle zufolge übernahm Biedenkopf den Inhalt des Schreibens in seinem Vermerk vom 1. Juli 1993 an den sächsischen Finanzminister Georg Milbradt in vollem Umfang.
So sei beabsichtigt gewesen, für den Landesrechnungshof eine Fläche von 3.800 Quadratmetern anzumieten und für die Landespolizeidirektion Nord 10.500 Quadratmeter. Insgesamt habe Biedenkopf nach der Vorlage von Barth sechs Behörden aufgelistet und in dem Vermerk an seinen Finanzminister hinzugefügt, dass die Anmietungen bereits bestätigt worden seien.
Mit den Vorgängen um das 1994 fertig gestellte `Paunsdorf-Center" befasst sich ein Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags. Er soll den etwaigen Einfluss von Biedenkopf und weiteren Mitgliedern der Staatsregierung auf den Abschluss von Mietverträgen für das Behördenzentrum zum Nachteil des Freistaates prüfen. Nolle erklärte, Biedenkopf habe die Forderungen Barths nach Mietverträgen mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einem Ankaufsrecht des Freistaates zum 15-fachen der gültigen Jahresmiete abgesichert und umgesetzt.
Zudem habe Biedenkopf den Untersuchungsausschuss belogen, sagte der SPD-Politiker. In seiner Vernehmung vom Februar dieses Jahres habe der Ministerpräsident nämlich die Frage verneint, ob Barth seinen Vermerk vom 1. Juli 1993 an das Finanzministerium konzipiert habe. Das Gegenteil sei nun bewiesen.
Die PDS-Fraktion hat mit einer gerichtlichen Durchsuchung in der Staatskanzlei für den Fall gedroht, dass von dort nicht alle Unterlagen im Zusammenhang mit dem `Paunsdorf-Center" herausgegeben werden. Der jetzt bekannt gewordene Briefwechsel zwischen Barth und Biedenkopf lasse auf weitere Dokumente dieser Art schließen, sagte der Abgeordnete Andre Hahn.
Regierungssprecher Michael Sagurna betonte, es habe keine Anweisung des Ministerpräsidenten an Finanzminister Georg Milbradt gegeben, im Sinne der Vorschläge von Barth zu verfahren. Im übrigen sei die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses durch die Veröffentlichung der Briefe schwer behindert.
Lügen vor Untersuchungsausschuss folgenlos
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden sagte unterdessen auf AP-Anfrage, dass ein Betroffener anders als ein Zeuge vor einem Untersuchungsausschuss die Unwahrheit sagen könne, ohne dafür juristisch belangt zu werden. Anders wäre es, wenn er vereidigt worden sei. Landtagssprecher Ivo Klatte erklärte, dass Biedenkopf bei seiner Vernehmung als Betroffener unvereidigt ausgesagt habe.
Der Landesrechnungshof hatte bereits 1996 diese Anmietung kritisiert. Insbesondere bemängelten die Prüfer, dass 4.694 Quadratmeter vertraglich vereinbarter Nutzfläche nicht beansprucht würden. Nach Informationen der Dresdner Morgenpost (Dienstagausgabe) bekommt Barth aus dem `Paunsdorf"-Geschäft Mieteinnahmen vom Freistaat in Höhe von 15 Millionen Mark pro Jahr.