Sächsische Zeitung, 07.01.2002
Nolle verdächtigt Biedenkopf als Möbeldieb
Premier soll beim Auszug aus Regierungsgästehaus wertvolles Inventar des Freistaates mitgenommen haben
DRESDEN. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf war am Wochenende noch im Weihnachtsurlaub, der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle dagegen schon wieder vor Ort in Dresden. Und der Sozialdemokrat, der eine umstrittene Berühmtheit erlangte, weil er Biedenkopf und dessen Frau ohne Pause von einer Affäre zur anderen trieb, begann das neue Jahr im alten Tempo.
Am Sonntag veröffentlichte er 25 Fragen an die Staatsregierung, die sich alle um einen schweren Vorwurf ranken. "Ich habe die Aussagen von mehreren absolut glaubwürdigen Informanten, dass beim Auszug des Ministerpräsidenten aus dem Regierungsgästehaus auf der Dresdner Schevenstraße 1 in erheblichem Maße Wert- und Einrichtungsgegenstände des Freistaates unrechtmäßig den Eigentümer gewechselt haben", so Nolle. Konkret geht es um Silberleuchter, Gemälde, Standuhren und Möbelstücke im Wert von 77 000 Euro (150 000 Mark). Laut Staatskanzlei hat der Ministerpräsident dieses Inventar als sein Privateigentum jahrelang kostenlos zur Verfügung gestellt und zu Recht beim Auszug mitgenommen. Nolle zweifelt allerdings daran, dass alle Gegenstände, die Biedenkopf und seine Frau für sich beansprucht haben, wirklich ihr Eigentum sind. Mit Verweis auf seine Tippgeber erklärte er, der Ministerpräsident habe im Verlauf der Jahre häufig wertvolle Geschenke erhalten. Die würden aber nach nicht ihm, sondern dem Staatsfundus gehören. Als Amtsperson könne der Premier die Dinge nicht als private Zuwendungen ansehen. Das gleiche Kriterium gelte für Ingrid Biedenkopf und ihr mit Steuergeldern finanziertes Bürgerbüro. "Die Biedenkopfs müssen für alle mitgenommenen Gegenstände den Nachweis des rechtmäßigen Erwerbs erbringen", verlangt er kategorisch.
Ein Kühlschrank, zwei Hitzköpfe, viele Meisen
Nolle fordert, dass die Regierung alle Inventarlisten offen legt. So waren viele Gegenstände auf der Schevenstraße nicht nur Landeseigentum. Auch die Treuhandliegenschaftsgesellschaft hat als Besitzerin von Haus und Grundstück Ansprüche. Zudem will er wissen, wer für die Bewertung und Verteilung des inzwischen aufgelösten Haushalts im Gästehaus verantwortlich war und wer für welchen Preis Gegenstände erworben oder kostenlos bekommen hat. Nolle ist sich sicher, dass man bei der Prüfung fündig wird. "Wenn alles stimmt, was mir zugetragen wurde, dann ist Biedenkopf ein Möbeldieb."
Regierungssprecher Michael Sagurna hatte vor zwei Wochen erklärt, bei der Aufteilung des Mobiliars gebe es keine unklaren oder strittigen Fälle. Biedenkopfs hätten nur Interesse an einem vom Freistaat gekauften Kühlschrank gezeigt und diesen ordnungsgemäß bezahlt. Staatseigentum wie Gemälde oder Plastiken seien an die Museen zurückgegangen. Auf die Vorwürfe reagierte er gereizt. Wenn Nolle meine, Biedenkopfs müssten für alle Privatsachen einen Eigentumsnachweis vorlegen, "dann hat er eine Meise". Den Gescholtenen focht das nicht an. "Ich habe nicht nur eine Meise, sondern mehrere. Jetzt gehe ich auf meinen Balkon, um sie zu füttern", lästerte Nolle zurück.
(Gunnar Saft)