Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 16.10.2000

MDR räumt Millionen-Verlust durch Börsengeschäfte ein

Öffentlich-rechtlicher Sender verspekuliert sich mit Ecuador-Anleihen
 
BERLIN, 15. Oktober. Der Sprecher des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, Walter Schumacher, nannte gegenüber der FR diese Spekulation "einen Fall für den Rechnungshof". Beck ist Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. Noch schärfer ging der Sprecher der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Franz Stänner, selbst MDR-Rundfunkratsmitglied, mit dem Sender ins Gericht. "Die Fernsehzuschauer zahlen ihre Gebühren nicht, damit die Sender an der Börse zocken." Er habe "erhebliches Unverständnis", wenn öffentliche Gelder in hochspekulative Anlagen gehen.
Der Sprecher der SPD Sachsen-Anhalt, Jürgen Kriesch, sagte, "solche Geschäfte traut sich nur, wer sie nicht mit seinem eigenen Geld unternehmen muss". Der MDR-Verwaltungsrat müsse die "Vorgänge peinlich genau prüfen". Bei Verstößen gegen die Verpflichtung, mit anvertrauten Geldern sorgfältig und im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags umzugehen, seien Konsequenzen zu ziehen. Risikobehaftete Spekulationsgeschäfte ausgerechnet mit der Währung eines der ärmsten Länder der Welt sind für Kriesch, der auch dem Rundfunkrat angehört, "weder mit dem Staatsvertrag noch mit der Wirtschaftsordnung des MDR vereinbar".
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Sachsens, Karl Nolle, kritisierte den Intendanten Udo Reiter. Erneut habe er den Sender, dessen Finanzgebaren ohnehin in der Kritik stehe, ins Gerede gebracht. Der MDR solle ein gutes Programm machen und nicht an der Börse spekulieren. Es sei "kaum vorstellbar", Sachsens Landtag könne einer erneuten Erhöhung der Rundfunkgebühren zustimmen. Vorgesehen ist eine Erhöhung um 3,33 Mark monatlich.
Nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung in Dresden hat der MDR im Frühjahr 1999 auf einen Anstieg der damaligen Währung Ecuadors, den Sucre, gesetzt. Er habe von der Dresdner Bank "künstliche" Ecuador-Anleihen mit außergewöhnlich hohen Zinsen erworben. Diese Anleihen sollte im Herbst die eigens gegründete Gesellschaft "Synthetic Ecuador Bond Company" aufkaufen. Der MDR habe Kursgewinne und hohe Zinsen einstreichen wollen. Tatsächlich fiel der Sucre aber um über drei Viertel. Ecuador erklärte sich zahlungsunfähig und hat die Währung inzwischen "dollarisiert". Die Dresdner Bank soll daraufhin die Anleihe gekündigt und den Rückkaufwert auf Null gesetzt haben – ein Verlust von 100 Prozent.
Nach dpa-Angaben sagte MDR-Sprecherin Susan Knoll, die Anlagepolitik des Senders sei "durchstrukturiert" und "rendite- und risikoorientiert. In den meisten Fällen realisiert sich die Rendite, manchmal tritt der Risikofall ein." 1999 habe der MDR 74,4 Millionen Mark Erträge aus Wertpapier-Geschäften ausgewiesen. Die Anstalt hat für diese Geschäfte also mehrere hundert Millionen Mark eingesetzt.
Der "Kommission zur Erforschung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" sind die Börsengeschäfte der Sender bekannt. Sie setzt eine normale Verzinsung von sechs Prozent an. Das Risiko müssen die Anstalten selbst tragen. Ob öffentlich-rechtliche Anstalten überhaupt an der Börse spekulieren dürfen, ist unter Juristen jedoch umstritten.
(Karl-Heinz Baum)

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