Mopo DD, 20.01.2002
Der Unruhestifter
Portrait: Karl Nolle (SPD) - Biedenkopf-Schreck und Sorgenkind seiner Partei
DRESDEN –Er ist der Schrecken von Kurt Biedenkopf und das Sorgenkind seiner Partei: Der Landtagsabgeordnete Karl Nolle (SPD). Mit seiner Jagd auf „König Kurt" machte er bundesweit Furore. Doch nach Bikos Abgang ist auch für Nolle die Party vorbei.
Auf diesen Tag hatte Karl Nolle fast ein Jahr lang hingearbeitet. Doch am vergangenen Mittwoch, dem Tag, an dem Biedenkopf seinen vorzeitigen Rückzugstermin bekannt gab, erfuhr Nolle nicht den erhofften Triumph sondern eine schmerzhafte Kränkung. Statt Glückwünschen gab es von den Parteifreunden eins auf die Mütze. Anlass: Nolle hatte öffentlich seine Parteivorsitzende angegriffen, weil die die Forderungen des Fraktionschefs nach Neuwahlen abgelehnt hatte.
Solange er gegen Biko zielte ohne die SPD hineinzuziehen, hatte Nolle Narrenfreiheit. Die Biedenkopfs waren schließlich lange sakrosankt, da wollte sich von den übrigen Sozis keiner die Finger schmutzig machen.
Nolle selbst war es recht, und er legte los. „Nolle meint:...", „Nolle sagt...": oder einfach nur „Nolle, Doppelpunkt“ - wie bengalische Feuerwerke zündete Nolle seine Pressemitteilungen, bombardierte die Staatskanzlei mit Anfragen, immer zum selben Thema: Kurt und Ingrid Biedenkopf. Mietaffäre, Dienstbotenaffäre, Dienstwagenaffäre, Rabattaffäre. Am Ende ging es „König Kurt" wie im Märchen von des „Kaisers neue Kleider". Derjenige, der unbeirrt gerufen hat: „Der hat doch gar nichts an", das war Karl Nolle.
Die Partei hat ihm diesen Dienst schlecht gedankt. Dass die Genossen Nolle ausgerechnet am Tage seines Sieges in die Schranken wiesen, verdeutlicht die Tragik des Abgeordneten. Denn Nolle und die SPD - das ist die Geschichte einer schmerzhaften Hassliebe.
Auf den ersten Blick will Karl Nolle tatsächlich so gar nicht ins sozialdemokratische Klischee passen: Als Druckereibesitzer ist er Boss von 60 Mitarbeitern und gilt als Millionär. Mit seinem Geld fördert er Künstler, betreibt im Keller Museum und Werkstatt für historische Drucktechniken, in das er jährlich bis zu 150 000 Mark steckte (Nolle: „In meinem Keller verschwand jedes Jahr ein Porsche"). Unterm Dach seiner Fabrik in Dresden-Striesen (ein mit viel Liebe und Geld rekonstruierter Bau von 1910) lebt er mit Ehefrau Christi und Hündin „Eske" auf 195 Quadratmetern.
Und doch ist da auch der Nolle, der vor Abitur und Studium erst eine Lehre als Eletromechaniker machte, bei den Jusos die Karriere-Leiter hochkletterte und der SPD beitrat, für die schon sein Urgroßvater in den Knast gegangen war, der seine Mitarbeiter am Betrieb beteiligt. Doch Nolle hat sieh noch nie Parteidogmatikern unterworfen - und musste dafür immer wieder bezahlen.
Zur Bundestagswahl 1986 etwa hatte er empfohlen, die Zweitstimme den Grünen zu geben und nur mit der Erststimme SPD-Kandidaten zu wählen - und wurde er dafür aus der SPD geworfen. Nolle heute: „Dabei war das vorausdenkend. Ohne die Grünen hätte die SPD Kohl nie ablösen können." Das sah die Partei 1998 auch ein. Nolle durfte zurück, kam 1999 über die SPD-Liste in den Landtag.
Ein Unruhestifter ist er auch dort geblieben. Legendär sind seine frechen Zwischenrufe. Als etwa die Redezeiten im Parlament verteilt wurden und die SPD knapp wegkam, rief Nolle: „Halbe Redezeit, doppelte Intelligenz!" Berühmt auch der Nolle-Spruch: ,; Wenn Sie wissen wollen, wo es hier zur Staatskanzlei geht -immer den Bach runter, immer den Bach runter."
Soviel Provokation ist bisweilen den eigenen Genossen suspekt. Noch verwirrter sind sie, wenn Nolle als wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Positionen vertritt, die selbst CDU-Politiker unterschreiben könnten. Als CDU-Chef Milbradt die Subventionierung von Niedriglöhnen forderte, erinnerte Nolle: „Das fordere ich seit zwei Jahren." Nolle geißelt das Tariftreuegesetz der Bundesregierung als „Abwehrgesetz für die ostdeutsche Wirtschaft". Wirtschaftsminister Schommer kritisiert fast gleichIautend.
Für Nolle ist die Party vorbei mit Bikos Abgang hat er seinen Dienst getan. In zwei Jahren werden die Listenplätze für die nächste Landtagswahl vergeben. Ob die SPD einen Unruhestifter wie Nolle wieder ins Rennen schickt, ist noch nicht abgemacht.
Karl Nolle - Sozi, Boss, Mäzen
Geboren am 9.3.1945 in Hattendorf. 1968 Lehre zum Elektromechaniker. 1968 Beitritt SPD und IG Metall. 1967 bis 1970 Abitur / 2. Bildungsweg. 1988 Gründung der erstes Druckerei mit 2.000 Mark, vom Vater geliehen. 1970 bis 1976 Studium, Geschichte, Politik, Soziologie, Psychologie. 1973 Gründung einer Druck-GmbH in Hannover, sein Partner ist ein gewisser Gerhard Schröder (heute Bundeskanzler). Gründung Druckhaus „SOAK". 1986 Rauswurf aus. der SPD. Februar 1990 Mitgründung der Dresdner Stadtzeitung „SAX", 1991 Kauf einer konkursreifen Druckerei in Striesen von der Treuhand, Umbenennung in „Druckhaus Dresden", 1995 – Verkauf der Druckerei in Hannover, endgültiger Umzug nach Dresden. 1997 Gründung einer Gesellschaft für Mitarbeiterbeteiligung, 1998 Wiederaufnehme bei der SPD. 1999 Wahl in den Landtag, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Ab 2000 Obmann im Paunsdorf - Untersuchungsauschuss.
(Von Gerhard Jakob)
Fotos: Türpe (5), Rietschel (1)
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