Sächsische Zeitung, 11.06.2002
Nolle: "Handfeste Amigo-Affäre"
Petitionsausschuss erkennt Ämterschlamperei / Schadenersatz von 60 Millionen Euro droht dem Freistaat
Der Petitionsausschuss im Landtag hat in der vergangenen Woche Fehler in der sächsischen Verwaltung beim Streit des Investors Heribert Kempen mit der Stadt Penig festgestellt. Damit erhöht sich die Möglichkeit, dass auf den Freistaat Schadenersatz-Forderungen von rund 60 Millionen Euro zukommen.
Der Ausschuss ist überzeugt, dass das Peniger Rathaus einen strittigen Grundstücksvertrag zu spät erfüllte. Das Landratsamt Mittweida und das Regierungspräsidium Chemnitz seien untätig geblieben oder ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen. In der Folge des Streites, so Kempen, habe er die von ihm geführte Bau-Unternehmensgruppe HMK in die Liquidation führen müssen. Über einhundert Jobs sind weg. In allen Behörden war der Fall zumindest zeitweilig Chefsache. Im Innenministerium liegt der Fall bei Staatssekretär Albrecht Buttolo auf dem Tisch. Ex-Innenminister Klaus Hardraht musste sich wegen des Falls Penig vor dem Landtag zwei mal korrigieren. Auch der juristischen Dienst im Landtag änderte seine Bewertung, nachdem ihm vom Innenministerium nicht alle wesentlichen Akten vorgelegt worden sein sollen. Erst nach Sichtung weiterer Dokumente aus den betroffenen Kommunen konnten Verwaltungsfehler festgestellt werden.
Der Fall kann zur Belastung für die neue Landesregierung werden. An Regierungschef Georg Milbradt habe er sich schon vor Monaten gewandt, sagt Kempen. Innenstaatssekretär Buttolo unterschrieb im Oktober 2001 einen Brief des Ministers, in dem „kein Anlass“ gesehen wird, Kempen zu helfen. Insbesondere für Albrecht Buttolo wird es eng. Im März versuchte er, Journalisten von der Rechtsauffassung seines Hauses zu überzeugen.
Einen Tag vor der Petitionsausschuss Sitzung traf er sich mit Kempens Anwälten im Abgeordnetenbüro des CDU-Fraktionsgeschäftsführers Klaus Leroff in Pirna. Der hatte Vermittlung angeboten. Angeblich sollte über einen außergerichtlichen Vergleich und über Schadenersatz gesprochen werden, sagt Kempen. Doch Penigs Bürgermeister Thomas Eulenberger und Landrat Andreas Schramm waren dazu nicht bereit, glaubt Kempen. „Alles Quatsch“, sagt Gastgeber Leroff. Seiner Meinung nach habe die Verwaltung „nicht unbedingt glorreich gearbeitet“, aber Kempen habe die Möglichkeit, dies auf dem Rechtsweg klären zu lassen. Doch nun soll auch die Staatsregierung „Unterlassungen durch Behörden“ im Fall Penig untersuchen und „eine größere Rechtssicherheit“ bei Grundstücksgeschäften privater Investoren mit Kommunen gewährleisten, so der Petitionsausschuss.
Für den wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD,
Karl Nolle, steckt hinter dem Fall eine „handfeste Amigoaffäre der CDU“. Ein CDU Bürgermeister habe Fehler gemacht, der CDU-Landrat habe zugesehen, der CDU-Regierungspräsident sei untätig geblieben und ein CDU-Staatssekretär versuche den Flurschaden zu begrenzen, statt aufzuräumen. Nolle: „Alle kennen sich und sind durch Parteiloyalität einander verpflichtet.“ Statt einen kleine Fehler zu korrigieren, riskiere diese Allianz nun einen Millionen-Schaden, für den der Steuerzahler aufkommen muss.
(Von Thomas Schade)