Berliner Zeitung, 07.12.2001
SACHSEN - Ein Schriftstück bringt Biedenkopf in Bedrängnis
BERLIN, 6. Dezember 01. Kurt Biedenkopf war sich seiner Sache angeblich sicher. "Nein, das kann nicht sein", antwortete er dem SPD-Landtagsabgeordneten
Karl Nolle. Der wollte vom sächsischen Ministerpräsidenten wissen, ob dieser für ein Schreiben an seinen Finanzminister Informationen von einem Fachbeamten erhalten habe. Ob denn die Angaben vielleicht vom Investor und Biedenkopf-Freund Heinz Barth stammten, setzte Nolle nach. Nein, erklärte der Regierungschef, "das ist ausgeschlossen".
Diese Aussage, gesprochen am 26. Februar 2001 vor dem Untersuchungsausschuss zur "Paunsdorf-Affäre", könnte Biedenkopf womöglich das Amt kosten.
Die Oppositionsparteien PDS und SPD fordern seinen Rücktritt. Begründung: Biedenkopf habe nachweislich die Unwahrheit gesagt. "Wer den Untersuchungsausschuss und damit das Parlament belügt", so SPD-Fraktionschef Thomas Jurk, "hat das Recht verwirkt, Ministerpräsident im Freistaat zu sein."
Der Ausschuss befasst sich mit der Frage, ob Biedenkopf oder andere Mitglieder der Landesregierung Einfluss auf den Abschluss für das Leipziger Behördenzentrum Paunsdorf ausgeübt und damit dem Land geschadet haben. Das Zentrum war von dem mit Biedenkopf befreundeten Kölner Unternehmer Heinz Barth Anfang der 90er-Jahre gebaut worden. Der Regierungschef hatte sich persönlich dafür eingesetzt, dass Barth mit den Behörden solvente Mieter für das Objekt bekam. Aber nicht nur das. Er kümmerte sich auch bis in Einzelheiten um die Konditionen.
In einem Vermerk vom 1. Juli 1993 an den damaligen Finanzminister Georg Milbradt listete Biedenkopf detailliert auf, wie bei den Anmietungen zu verfahren sei. So legte er dar, welche Dienststellen wie viel Fläche benötigten. Ferner gab er vor, welche Laufzeiten, Miethöhen und sonstige Klauseln in den Verträgen festzuschreiben seien. "Um den sofortigen Baubeginn sicherzustellen, ist eine alsbaldige Entscheidung erforderlich", ließ Biedenkopf den Finanzminister wissen. "Für eine entsprechende Veranlassung wäre ich dankbar." Nachzulesen auf den Seiten der sächsischen Internetzeitung "Faktuell".
Dort steht noch ein zweites, brisanteres Schriftstück. Es stammt von Barth, tauchte erst vor kurzem auf und enthält fast wörtlich das Gros der Angaben, die Biedenkopf nur zwei Tage später in seinem Vermerk an Milbradt verwendete. Aus einem Vergleich der weitgehend identischen Texte zog die Opposition den Schluss, dass der Investor dem Regierungschef die Mietkonditionen praktisch diktiert habe. Dies wiederum stehe im Widerspruch zu Biedenkopfs Aussagen im Untersuchungsausschuss.
Das sieht der Ministerpräsident anders. "Ich habe dem Ausschuss weder Unterlagen vorenthalten noch ihn belogen", verteidigte sich Biedenkopf in der "Sächsischen Zeitung". Auch habe er niemanden beeinflusst. Bei einem Projekt wie dem Behördencenter sei es üblich, dass ein Ministerpräsident beim Investor nachfrage, wie der Stand der Dinge sei. "Wer das kritisiert, hat relativ wenig Ahnung, wie man Investitionen nach Sachsen holt." Für Paunsdorf habe er sich genauso eingesetzt wie etwa für Investitionen von BMW oder Infineon. "Das hat mit meiner Freundschaft zu Herrn Barth nichts zu tun."
(von Peter Pragal)