Freie Presse Chemnitz, 13.09.2002
Der Ein-Dollar-Mann gegen das Schweigekartell
Fälle Gum Tec und Kempen: Wirtschaftsförderer Wolfgang Peitz greift ein - Harte Kritik an sturen sächsischen Behörden - Gelöschte E-mails und unterdrückte Berichte
CHEMNITZ. Professor Peitz hat einen kühnen Plan. Er will die Firma Gum Tec in Tiefenbach zum Laufen bringen - gegen den Willen des Mittweidaer Landrates Andreas Schramm. Die Auflagen, die das Landratsamt dem Gummi-Recyclingbetrieb macht, hält der frühere Arbeitgeberpräsident des Landes Baden-Württemberg für gnadenlos überzogen. „Schramm glaubt, er könne die Dinge wie ein Mufti regeln“, schimpft Peitz. „Nun werden einmal wir nach Gutsherrenart agieren: Am 1. Januar 2003 beginnt die Firma zu produzieren!“
Wolfgang Peitz, Jahrgang 1935, mit Wohnsitz in Luzern und einem Haus in Dresden, arbeitet als privater Wirtschaftsförderer, als „One-Dollar-Man“, wie er sich selbst bezeichnet. Mit einem beachtlichem Vermögen gesegnet und ausgezeichneten Kontakten versehen, macht sich Peitz eine Freude daraus, Existenzgründern und Firmenchefs die eine oder andere Tür zu öffnen, wenn ihm ein Projekt vielversprechend erscheint. Peitz’ Honorar ist dabei Nebensache.
Nun also setzt sich der 67-Jährige für den Geschäftsmann Gerald Schmidt aus Tiefenbach ein. Der will eine Recyclinganlage für Altreifen aufbauen, mehrere Millionen Euro investieren und 20 Arbeitsplätze schaffen. Nach rund fünfjährigem Hin und Her erhielt Schmidt zwar die dafür nötige Genehmigung, doch verlangt das Landratsamt, dass der Investor 180.000 Euro auf einem Konto deponiert - als Sicherheit für den Fall, dass Schmidt Pleite macht und Gummiberge hinterlässt. Juristisch ist diese Forderung umstritten, Schmidt wehrte sich dagegen, und der Streit geht weiter.
Das heißt, streiten mag sich Landrat Schramm eigentlich überhaupt nicht. Für ihn stellt sich die Sache so einfach wie logisch dar: Der Investor habe seine Genehmigung, und er habe seine Auflagen; wenn ihm das nicht gefalle, könne er ja vor Gericht gehen.
Das geforderte Sicherheits-Geld wird zwar von mehreren Experten für nicht nötig oder sogar für nicht rechtens gehalten, aber Schramm wischt diese Einwände vom Tisch: „Auch wir haben uns kundig gemacht.“ Ergebnis: Eine Sicherheitsleistung zu verlangen, liege im Ermessen des Landratsamtes. Und das Amt hat entschieden: Her damit!
Wirtschaftsförderer Wolfgang Peitz hat versucht, mit Schramm zu reden - erfolglos: „Der Landrat war nicht da, seine Vertreterin in einer Besprechung, und der Vertreter der Vertreterin im Urlaub. Irgend jemand ist schwanger, und der fünfte Ansprechpartner hat die Akte nicht gefunden ...“ Nun will Peitz die Sache auf die harte Tour regeln. Gum Tec soll einfach anfangen zu arbeiten. Wenn der Berg nicht zum Propheten spricht, zwingt der Prophet den Berg zu einer Reaktion. Peitz ist guter Dinge, jedes Beben zu überstehen.
Die Sturheit sächsischer Behörden hält den Ein-Dollar-Mann, der schon mit dem Ruhestand geliebäugelt hatte, auf Trab. Der Fall Gum Tec ist dabei eine der überschaubaren Angelegenheiten. Im Fall Kempen, ebenfalls angesiedelt im Landkreis Mittweida, sieht sich Peitz einer ganzen „Kette von Ärgernissen“ gegenüber, die, wie er feststellt, von Penigs Bürgermeister Thomas Eulenberger über Landrat Schramm und den Chemnitzer Regierungspräsidenten Karl Noltze bis hinauf zu Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt reicht - eine Art Schweigekartell von CDU-Politikern, so sieht es Peitz.
Im Fall Kempen geht es um den Bauunternehmer Heribert Kempen, dessen Peniger Firmengruppe HMK nach einer langwierigen Auseinandersetzung mit Bürgermeister Eulenberger bankrott gegangen ist. Kempen gibt dafür Eulenberger die Schuld, der lehnt jegliche Verantwortung für Kempens Ruin ab. Begonnen hat alles mit einem Streit um ein Wegerecht, das Kempen für eines seiner Objekte brauchte, und das ihm die Stadtverwaltung nie ordnungsgemäß besorgt hat. Dann sprang Kempens Geldgeber ab, was der Anfang vom Ende der HMK-Firmen in Penig war. Der Unternehmer rief um Hilfe, doch eine Behörde nach der anderen erklärte sich für nicht zuständig: das Landratsamt, das Regierungspräsidium, das Innenministerium.
Sie alle bezeichnen den Zwist zwischen Firmenchef Kempen und Bürgermeister Eulenberger als einen Zivilstreit, und Ministerpräsident Georg Milbradt erteilt dieser Sichtweise seinen Segen. Milbradt gibt sogar zu, sämtliche E-mails von Kempen sofort zu löschen. Auch die Briefe von Wirtschaftsförderer Peitz scheint der Landeschef nicht gelesen zu haben, sonst wüsste er, dass die Sache immer weniger nach einem Zivilstreit aussieht. Der Auslöser der Misere waren nämlich Verwaltungsfehler.
Zunächst reichte das Wegerecht, das die Stadt dem Unternehmer besorgt hatte, hinten und vorne nicht. Darüber hinaus ist der falsch vermessene Weg unkorrekt ins Grundbuch geschrieben worden: Eine dafür nötige Vollmacht war offenbar nicht gültig. Die Stadt führt zu ihrer Verteidigung an, diese Vollmacht sei ja durch das Landratsamt geprüft worden, doch das Amt gibt zu, sich auf die Stadt verlassen zu haben, sprich: Geprüft wurde offenbar überhaupt nichts.
Eigentlich könnte man das alles unter „Pipifax“ abheften, wären die Auswirkungen nicht so drastisch gewesen. Drei Firmen pleite, mehr als 100 Männer und Frauen ohne Arbeit. Und: Die Landesregierung presst den Deckel darauf. Juristen des Innenministeriums sind längst zu der Ansicht gelangt, dass „die beteiligten Behörden dem Grundsatz einer bürgernahen Verwaltung in keiner Weise nachgekommen sind“. In einem internen Papier wird dem Landratsamt Mittweida und dem Regierungspräsidium Chemnitz zudem der Vorwurf der Untätigkeit gemacht.
All das sollte Unternehmer Kempen schwarz auf weiß als Zwischenbescheid vom Petitionsausschuss des Landtages erhalten, von dem er sich Hilfe erhofft hatte. Bekommen hat Kempen überhaupt nichts, und im Ausschuss wurde die Stellungnahme dann ohne die kritischen Passagen verlesen. Der Wahl-Dresdner Wolfgang Peitz schüttelt dazu nur den Kopf: „Als Sachse lebt man in einem rechtsfreien Raum.
(Von Mario Ulbrich)
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Bemerkung von Karl Nolle, MdL, zu diesem Thema:
Siehe meine Presserklärung vom 10.6./20.6./17.7.2002
Siehe Presseartikel vom: 6.6./8.6./11.6./11.6./21.6./29.7.2002 und weitere ...
oder unter SUCHE > Penig oder Kempen oder Schramm oder Mittweida