Freie Presse Chemnitz, 05.11.2002
Fälschungsvorwurf gegen Kurt Fischer wirft neue Fragen auf
Wie haben LKA und Staatsanwaltschaft Chemnitz Tonbänder geprüft?
Chemnitz/Dresden. Der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle zieht auch aus eigenen Fehlern interessante Argumente. Wie am Montag bekannt wurde, hatte er die im Fall der geplanten Entführung des Mittweidaer Landrates Andreas Schramm (CDU) anonym an ihn übergebenen Gesprächsaufzeichnungen am Freitag per Kurier irrtümlich an die Staatsanwaltschaft Dresden statt an den Generalstaatsanwalt geschickt. So landeten Minikassette und Protokolle erst am Montagvormittag in der richtigen Behörde. Um so unverständlicher ist für Nolle, wie Landeskriminalamt (LKA) und Staatsanwaltschaft Chemnitz bereits am Sonntag „hellseherisch“ festzustellen vermochten, dass die Dokumente Fälschungen sind. „Sie können dieses Band am Wochenende gar nicht angehört haben“, betonte er.
Die Aufnahmen legen nahe, dass es sich um zwei Gespräche zwischen dem damaligen Sparkassenchef Kurt Fischer und dem Privatdetektiv Rainer Kapelke im Oktober 1995 handelt. Darin geht es zwar tatsächlich um eine mögliche Entführung Schramms, von einer Verabredung zu dem Verbrechen kann jedoch entgegen der späteren Aussagen des Belastungszeugen Kapelke keine Rede sein. Fischer hätte also unschuldig im Gefängnis gesessen.
Allerdings sind dem LKA, dessen Ermittler in dem Fall erst Anfang November 1995 von der Möglichkeit der Telefon- und Raumüberwachung Gebrauch gemacht haben wollen, Aufnahmen von diesen beiden Treffen nicht bekannt.
Zudem stellte Kapelke über seinen Anwalt Ende September 2002 bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz Strafanzeige wegen Nötigung gegen Fischer. Begründung: Er werde zur Herstellung von Mitschnitten nachgestellter sowie inhaltlich veränderter Gespräche gedrängt und - Kapelke soll Schulden in sechsstelliger Höhe bei Fischers Frau haben - mit dem wirtschaftlichen Ruin bedroht. „Mitte Oktober teilte Kapelke dann mit, er habe diesem Druck nachgegeben“, sagte der Chemnitzer Oberstaatsanwalt Hartmut Meyer-Frey. Am 16. Oktober seien auch entsprechende Bänder bei ihm sichergestellt worden, erklärte LKA-Vizepräsident Jörg Michaelis am Montag im MDR.
Ein viel größeres Problem hätte der Privatdektiv und Ex-Spitzel Kapelke jedoch, wenn die neuen Mitschnitte tatsächlich authentisch sind. Dann hätte er im Herbst 1995 einen unbescholtenen Mann hinter Gitter gebracht. Und damit ist die Verwirrung noch nicht komplett. Denn dem Journalisten Christoph Lötsch waren eigenen Angaben zufolge bereits Anfang August 2002 - also lange vor Kapelkes Nötigungsanzeige - anonym Mitschnitte der Gespräche vom Oktober 1995 angeboten worden. Lötsch arbeitete seinerzeit gerade an einem kritischen Beitrag zu einem anderen Thema aus dem Landkreis Mittweida.
Sachsens Generalstaatsanwalt ist bis Mittwoch auf Dienstreise. „Ich sehe wirklich keinen Grund, an den Angaben des LKA zu zweifeln“, betonte am Montag ein kurz angebundener Vertreter und kündigte an, Kassette und Protokolle an die Staatsanwaltschaft Chemnitz zu übergeben. Da Kurt Fischer davon überzeugt ist, die Ermittler hätten 1995 ohne rechtfertigenden Grund mit Kapelke gemeinsame Sache gegen ihn gemacht, erscheint dieser Schritt reichlich seltsam: Soll das Material doch nun von einer der verdächtigten Behörden geprüft werden. „Wenn es eine Fälschung ist, was ich bestreite, dann soll die Justiz es beweisen, indem sie endlich die richtigen Gespräche vorlegt, in denen ich angeblich eine Straftat begehe“, lautete am Montag Fischers durchaus zweideutiger Kommentar.
(SF)
http://www.freiepresse.de/TEXTE/NACHRICHTEN/SACHSEN/SACHSEN_THEMEN/TEXTE/497713.html