umwelt-ruf/umwelt-ticker, 11.11.2002
Sachsens Innenministerium hebelt und trixt ADAC bei Bieterverfahren aus, behauptet Karl Nolle (SPD)
Antikorruptionsgesetz ist dringend geboten! Unternehmer brauchen Rechtssicherheit.
Die sächsische Staatsregierung hatte vor rund zwei Wochen die Luftrettung im Raum Leipzig nach einem eingeschränkten Bieterverfahren an die Björn-Steiger-Stiftung vergeben. Der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle meint nun, das für die Vergabe zuständige Innenministerium habe ohne sachlichen Grund die Angebotsfrist verlängert und möglicherweise ein günstigeres Angebot des ADAC durch eine Indiskretion dem Mitbewerber zugänglich gemacht. Der ADAC klagt vor dem Verwaltungsgericht Leipzig und Nolle hat eine kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet.
Sachsens Innenminister Horst Rasch hat seine Ministerialbürokratie offensichtlich nicht im Griff. Die Konzessionsvergabe vom 28.10.02 für die Luftrettungsstation in Leipzig an die Deutsche Rettungsflugwacht (DRF) stinkt nach Bieterbevorteilung und groben Verstößen gegen alle rechtsstaatlichen Gebote und gegen den Vertrauensschutz im Bieterverfahren. Dafür trägt Herr Rasch die Verantwortung, empört sich am Sonntag der SPD - Landtagsabgeordnete Karl Nolle. Das Innenministerium versuche ganz schnell noch Fakten zu schaffen und hat der DRF am 5.11.02, während des laufenden Verwaltungsgerichtsverfahrens bereits einen unterschriftsreifen Vertrag zugeschickt, hat Nolle herausgefunden.
Nolle: „Ich habe 17 Fragen an die Staatsregierung zum rechtstaatlichen Verfahren bei der Vergabepraxis öffentlicher Aufträge oder Konzessionen am Beispiel DRF.“ Es sieht so aus, dass die Ministerialdirigenten des Innenministeriums Bieterfristen und Vergabetermine so oft wiederholten, verlängerten, durch Nachfragen unterliefen und einseitig Nachbesserungschancen boten, bis ihr Kreuzworträtsel senkrecht wie waagerecht die Buchstaben „DRF“ ergab. Dafür trägt der Minister die Verantwortung.
Nolle: „Diese hier deutlich werdende anrüchige und rechtsstaatlich angreifbare Vergabepraxis des Innenministeriums ist eine schwere Belastung des Vertrauens, im Bieterverfahren. Auch andere Anbieter aus anderen Branchen und anderen Zusammenhängen können künftig in Sachsen kein Vertrauen mehr in den rechtsstaatlich korrekten und wettbewerbsrechtlichen sauberen Umgang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge oder der Vergabe von Konzessionen durch den Freistaat haben.“
Nolle: „Was hier mit Investoren und Konzessionären unter dem Vorwand der Freihändigkeit getrieben wird, riecht mehr nach Bärnsdorfer Landrecht des Gemeindevoigtes, Horst Rasch, als nach der korrekten und sensiblen Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Vertrauensschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch das Sächsische Innenministerium. Es scheint offensichtlich, warum sich die CDU in Sachsen so vehement gegen ein Antikorruptionsgesetz stemmt.“
Ob tatsächlich auch die "offene Hand" eine Rolle gespielt haben mag, sei dahingestellt. Vielmehr spricht für die These, dass hier eine Ministerialbürokratie selbst Samariter "spielen" wollte. Die Björn-Steiger-Stiftung, am 7. Juli 1969 von Ute und Siegfried Steiger mit sieben Freunden der Familie ins Leben gerufen, nachdem deren neunjähriger Sohn Björn bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam , leidet chronisch unter Geldmangel. So wußte der Spiegel schon Mitte 1999 zu berichten: „...1988 waren die Luftsamariter finanziell am Ende, wie sich aus einem „vertraulichen Zusatzprotokoll" aus dem April 1997 ergibt: Die Björn Steiger Stiftung habe damals zdie Zahlungsunfähigkeit der DRF" mit einem Zuschuß von 3,5 Millionen Mark und einem Darlehen von 14 Millionen Mark verhindern müssen. Geändert hat sich an der Lage bis in die jüngste Vergangenheit wenig. Als Gründe für die Dauermisere zählt ein Gutachten der Rechnungsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen aus dem Jahr 1996 Managementfehler auf: widersprüchliche Entscheidungsstrukturen, Informationslücken, keine klar erkennbare Strategie.“.
Das mag jedoch für den streitbaren Druckereibesitzer aus Dresden, dem nachgesagt wird, den früheren Ministerpräsidenten Biedenkopf wegen seiner allzu großen freundschaftlichen Beziehungen zur Baubranche zu Fall gebracht zu haben, kein Grund sein, einen Mitbewerber um das Geschäft mit der Luftrettung zu bringen. Er hat heute eine kleine Anfrage an die Landesregierung auf den Weg gebracht.
17 Kleine Anfragen des Landtagsabgeordneten Karl Nolle (SPD)
THEMA: Vergabe der Konzession für die Luftrettungsstation Leipzig an die Deutsche Rettungsflugwacht (DRF) der Börn-Steiger-Stiftung durch das SMWI am 28.10.02
1) Mit welchem Datum hat die Staatsregierung erstmals die möglichen Bieter zum Betrieb der Luftrettungsstation Leipzig zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert?
2) Aus welchen sachlichen Gründen hat die Staatsregierung ihre ursprüngliche Frist zur Angebotsabgabe vom 21.2.02 auf den 7.3.02 verlängert?
3) Durch welche Bieterschutzmaßnahmen hat die Staatsregierung sichergestellt, dass der jeweils andere Bieter nicht vor Abschluss des Bieterverfahrens die Angebotskonditionen des jeweils anderen Bieters von der Vergabestelle erfahren konnte?
4) Entspricht es den Tatsachen, dass der Bieter DRF während der Gespräche der ersten Angebotsrunde am 15.4.02 dem Mitkonkurrenten ADAC Luftrettung vorwarf mit ihrem Angebot vom 7.3.02 „Preisdumping“ zu betreiben?
5) Erkennt die Staatsregierung an dieser Äußerung der DRF vom 15.4.02, dass der Mitbewerber DRF offensichtlich bereits am 15.4.02 über das tatsächlich günstigere Angebot des ADAC informiert war und wenn nein welche Anhaltspunkte schließen für die Staatsregierung aus, dass hier ein eklatanter Verstoß gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze im Bieterverfahren vorliegt?
6) Wie erklärt die Staatsregierung, ihre eigene Aussage vom 23.4.02 im SMI, dass das Angebot des ADAC durch folgenden Satz: „Die ADAC Luftrettung erklärt, dass ... sie die Gesamtkosten des Stationsbetriebes in Jahresteilen für vier Jahre verbindlich abgeben wird“ angeblich nicht „die Verbindlichkeit der Garantie der Gesamtkosten für die laufenden vier Jahre der Konzessionsdauer“ erklärt hätte.
7) Welche konkreten Änderungen der Randbedingungen für die Vergabe der Konzession lagen der Staatsregierung am 10.5.02 vor, um die bereits abgeschlossenen erste Angebotsrunde noch einmal als zweite Angebotsrunde zu wiederholen und warum waren diese nicht schon zum ersten Termin der ersten Angebotsaufforderung bekannt?
8) Warum hat die Staatsregierung den Vertretern der Krankenkassen in der zweiten Angebotsrunde bei Vorlage der Angebote nicht mitgeteilt, dass es sich nunmehr um eine neue Angebotsrunde und zum Teil überarbeitete Angebote handelte und die sich somit wunderten warum ihnen die Angebote nochmals vorgelegt wurden?
9) Entspricht es den Tatsachen, dass nach Aufforderung vom 10.5.02 durch die Staatregierung, die ADAC Luftrettung der einzige Bieter war, der im Sinne der Angebotsforderungen der Staatsregierung ein vollständiges und gültiges Angebot abgegeben hatte?
10) Stimmt es, dass die DRF bei Angebotsabgabe, nach Aufforderung vom 10.5.02, nicht wie gefordert und als einzige von der ADAC Luftrettung angeboten, die Leipziger Station nicht mit zwei voll einsatzfähigen Rettungshubschraubern, sondern nur mit einem festen Hubschrauber die Station betreiben wollte und den geforderten zweiten Hubschrauber in Kooperation mit einem anderen Stützpunkt nutzen wollte, was tatsächlich bestenfalls 1,5 Hubschrauber für die Leipziger Station bedeutet hätte?
11) Ist es nach Auffassung der Staatsregierung rechtlich zulässig, einen Anbieter, der nach Ablauf der Bieterfrist in seinem Angebot nicht wie gefordert zwei, sondern nur 1,5 einsatzbereite Hubschrauber zur Verfügung hält, im Bieterverfahren weiter als vergabegerechten Bieter zu werten?
12) Hätte die Staatsregierung einen solchen Bieter wie unter Punkt 11, der ein nicht vergabegerechtes Angebot abgibt, nicht vom Vergabeverfahren ausschliessen müssen?
13) Wie erklärt die Staatsregierung, dass sie, nachdem feststand, dass ausschließlich die ADAC Luftrettung ein frist- und vergabegerechtes Angebot abgegeben hatte, sie nunmehr am 5.9.02 von sich aus erneut auf den DRF zuging, ihn zur Änderung seines Angebotes veranlasste und diese veränderte Angebot nun nach Angebotsfristablauf so passend umschreiben ließ, dass das Konzessionsverfahren nunmehr am 28.10.02 mit einer Entscheidung für den DRF ausging, ohne dem Bieter ADAC auch nur die geringste Gelegenheit zur Nachbesserung seines Angebotes zu geben?
14) Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass das in den Sachverhalten der Punkte 1-13 darlegte Verfahren zur Konzessionsvergabe für die Luftrettungsstation Leipzig den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches, nicht willkürliches und nicht einseitiges Verfahren entspricht?
15) Wie erklärt die Staatsregierung den in ihrem Bescheid vom 28.10.02 als Bezug niedergelegten Termin der Aufforderungsfrist vom 28.5.02, wenn dies offensichtlich, siehe Fragen 1-13, nicht die korrekte Wiedergabe der tatsächlichen diversen Anfragetermine und verschiedener Bieterrunden entspricht?
16) Ist der Staatsregierung bei Abgabe ihres Bescheides vom 28.10.02 für den Bieter DRF (der Björn Steiger Stiftung) der Artikel „Eine ehrenwerte Gesellschaft“ zu Hintergründen der Björn Steiger Stiftung aus Spiegel Nr. 20/1999 bekannt gewesen?
17) Welche Schlüsse für ein Konzessionsvergabeverfahren und die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der DRF zieht die Staatsregierung aus dem Spiegelartikel 20/1999 ? indem es u.a. heißt:
„(...) 1988 waren die Luftsamariter finanziell am Ende, wie sich aus einem „vertraulichen Zusatzprotokoll" aus dem April 1997 ergibt: Die Björn Steiger Stiftung habe damals " die Zahlungsunfähigkeit der DRF" mit einem Zuschuß von 3,5 Millionen Mark und einem Darlehen von 14 Millionen Mark verhindern müssen. Geändert hat sich an der Lage bis in die jüngste Vergangenheit wenig. Als Gründe für die Dauermisere zählt ein Gutachten der Rechnungsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen aus dem Jahr 1996 Managementfehler auf: widersprüchliche Entscheidungsstrukturen, Informationslücken, keine klar erkennbare Strategie.
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