Lausitzer Rundschau Online, 29.11.2002
Streit um sächsische Spendenaffäre spitzt sich zu
DRESDEN. Der frühere sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) hat gestern rechtliche Schritte wegen ehrabschneidender Behauptungen angekündigt. Die Darstellung des Ex-Chefs der Sachsenring AG, nach der er den Verkauf einer Firma mit der Unterstützung für die Kampagne Sachsen für Sachsen verknüpft habe, sei falsch.
Kajo Schommer ist eine rheinische Frohnatur. Der frühere sächsische Wirtschaftsminister (CDU) hat den Karneval im Blut. Flotte Sprüche gehen ihm leicht über die Lippen. Doch zum Scherzen ist Schommer inzwischen nicht mehr zumute: Gegenüber der RUNDSCHAU kündigt er rechtliche Schritte gegen die "ehrabschneidenden Behauptungen" der Gebrüder Rittinghaus an, die ihn als üblen Parteispenden-Trickser ausgemacht haben wollen. "Ich lasse über meine Anwälte prüfen, wann wir was unternehmen werden." Sagt er.
Passiert ist bislang nichts. Dabei ist schon fast eine Woche vergangen seit den Vorwürfen gegen ihn in der Illustrierten "Stern". Danach soll Schommer dem Ex-Sachsenring-Chef Ulf Rittinghaus in einem Vier-Augen-Gespräch am Rande einer Veranstaltung ein verlockendes Angebot gemacht haben: Das Kabinett könne ja die staatliche Beihilfe an die Sachsenring AG für den Kauf des Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) um Geld für eine indirekte CDU-Wahlkampfhilfe aufstocken. Der Deal kam zustande. Schreibt der "Stern". Ulf Rittinghaus versichert an Eides statt, dass sich die Sache so zugetragen hat.
Erst gestern konterte Schommer auf RUNDSCHAU-Anfrage mit Details aus diesem Gespräch. Danach soll damals in etwa das Gegenteil von dem gesprochen worden sein, was Rittinghaus behauptet.
So habe zum Beispiel nicht er, sondern Rittinghaus ihn bei der Veranstaltung nach der verlorenen Bundestagswahl auf die Lage der Union angesprochen und gefragt, was man tun könne, beteuert Schommer. "Da habe ich ironisch zugespitzt geantwortet: Ja, dann gib mal fünf Millionen an die CDU."
Anschließend, fährt Schommer fort, habe ihm Rittinghaus erzählt, dass er eine Kampagne für die CDU plane. "Dann hat Rittinghaus mich gefragt, ob es da eine Möglichkeit der Förderung gibt." Das habe er abgelehnt, so Schommer, und Rittinghaus klar gemacht, dass alle Beihilfen, die der Freistaat der Sachsenring AG für den ZMD-Kauf gewährt, mit dessen Finanzierung zusammenhängen müssten. "Ich habe nie mit dem ZMD gedroht, nie eine Kampagne gefordert." Und im übrigen habe er auch nicht an den ZMD-Verkaufsverhandlungen teilgenommen und hätte auch keinen Einfluss auf den Staatssekretär gehabt, der die Verhandlungen führte.
Selbst von einer Einflussnahme auf die Kampagne "Sachsen für Sachsen", für die die Sachsenring AG nach dem Gespräch schließlich drei Millionen Mark spendierte, will Schommer nichts wissen. "Ich habe daran nicht aktiv mitgewirkt, nie um Informationen dazu gebeten." Von der Kampagne habe er erst durch den damaligen Regierungssprecher Michael Sagurna erfahren.
"Ich habe Kajo Schommer angesprochen, ihn gefragt: Können Sie sich das mal angucken", bestätigt Sagurna. Und räumt ein, dass sich die Landesregierung durchaus in die offiziell unabhängige "Initiative sächsischer Bürger und Unternehmer" eingemischt hat.
"Ich war involviert", sagt Sagurna. Ulf Rittinghaus sei auf ihn zugekommen, habe gesagt, dieses und jenes hätten sie vor. "Da habe ich versucht, die Kampagne in eine Richtung zu führen, die nicht mit Wahlkampf in Verbindung gebracht werden kann. Ich hatte im Wahljahr Befürchtungen, dass die Unternehmen eine voluminöse Kampagne führen könnten, die zu Irritationen führen könnte." So habe er mit Erfolg durchgesetzt, dass die CDU und Ministerpräsident Kurt Biedenkopf aus der Kampagne herausgehalten worden seien und die "Initiative sächsischer Bürger und Unternehmer" nicht in regionalen Zeitungen, sondern nur in überregionalen Blättern erschienen sei.
Auch habe er die Berliner Werbeagentur Scholz & Friends für die Kampagne vorgeschlagen. Diese Agentur erhielt tatsächlich den Auftrag. Rechnungen wickelte sie direkt über die Sachsenring AG ab, die die Kampagne mehrfach mit der Staatskanzlei abstimmte.
An Gesprächen in der Staatskanzlei beteiligt war auch Hans-Erich Bilges, Ex-Chefredakteur der "Bild"-Zeitung und Geschäftsführer der Berliner Beratungsgesellschaft WMP Eurocom, die das Konzept für die Kampagne entworfen hat. Ulf Rittinghaus ist nach Unternehmensangaben im Internet Mitglied des Aufsichtsrates dieser Firma. Und Bilges wird nachgesagt, ein Duz-Freund von Schommer zu sein.
Der Sprecher der sächsischen Bündnisgrünen, Karl-Heinz Gerstenberg, forderte jetzt "eine bedingungslose Aufklärung". "Zu fragen ist dabei auch nach der Rolle, die der damalige Finanzminister Milbradt gespielt hat."
Georg Milbradt (CDU) ist heute Ministerpräsident des Freistaats. Als Finanzminister hat er damals den umstrittenen Beihilfebescheid an die Sachsenring AG unterzeichnet.
Die PDS-Fraktion will jetzt einen Untersuchungsausschuss zur Sachsenring-Affäre beantragen. Die SPD hat bereits ihre Unterstützung signalisiert. SPD-Landeschefin Constanze Krehl hält eine Verwicklung des Ministerpräsidenten in die Affäre ebenfalls für möglich.
(Jürgen Becker)