Karl Nolle, MdL

Deutscher Drucker Nr. 29, 05.08.1999

Druckhaus Dresden GmbH - Auf sicheren Wegen zu einem besseren Ergebnis

 
DRESDEN.»Mit steigender Produktionsgeschwindigkeit wird der Faktor der Produktionssicherheit immer wichtiger«, so Karl Nolle, Geschäftsführer der Druckhaus Dresden GmbH. Nolle beschreibt in seinem Bericht, wie er neben der Automatisierung auch die Mitarbeiter, als elementare Voraussetzung für hohe Produktivität, in seine offensiven Strategien mit einbezieht.

Nachdem ich 20 Jahre in Hannover erfolgreicher Druckunternehmer war, habe ich 1990 in Dresden eine Druckerei übernommen. Zwei Jahre lang versuchte ich mit meiner Frau während der Woche, mit den Menschen und Maschinen in Dresden aus dem übernommenen Handwerksbetrieb eine moderne Druckerei zu machen, während in Hannover unser moderner Betrieb weiter lief. Dann entschlossen wir uns, unser »Doppelleben« aufzugeben. Wir verkauften unsere Druckerei in Hannover und konzentrierten uns voll auf die Dresdner Druckerei.

Produktivität verlangt Produktionssicherheit

Wir verarbeiten über 80 % unserer Aufträge im CtP-Prozess. Kollegen aus Westdeutschland und dem Verband der Druckindustrie, dem ich für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt vorsitze, sind erstaunt, wenn sie bei uns die östlichste Heidelberger Achtfarben Speedmaster 102 sehen. Die aktive Wirtschaftsförderung in Sachsen hat uns ermöglicht, auf einen Schlag 12 Mio. DM in unseren Betrieb zu investieren.

Heute stellt uns die Produktion mit vollautomatisierten Druckmaschinen, eingebunden im Gesamtprozess digitaler Datenverarbeitung und Workflows, als Manager vor neue umwälzende Aufgaben. Die wichtigsten Stichworte dazu sind:

Produktionssicherheit
Planungssicherheit
Qualitätssicherung
und Stabilität der Prozesse mit dem Ziel höchster Produktivität.

Dabei möchte ich zunächst unterscheiden nach technischer Produktivität und ihren vielschichtigen Facetten sowie nach Humanproduktivität und den damit zusammenhängenden Fragen nach der Unternehmenskultur und der Mitarbeitermotivation.

Neue Anforderungen im technischen Bereich

Im technischen Bereich werden an uns, unsere Mitarbeiter und unsere Maschinenlieferanten neue Anforderungen gestellt.

Das Gesetz der Just-in-Time-Produktion, kürzester Abläufe, Schnelldruck in Kunstkatalogqualität, erfordert auch einen Gesamt-Systenbieter, der für uns immer da ist. Und das bedeutet in ganz klarer Konsequenz, Just-in-Time-Service im komplexen System mit Gesamtsystem-Verantwortung; 24 Stunden rund um die Uhr.

Die digitale Vorstufe

Wenn man als Druckerei mit einer digitalen Vorstufe beginnt, ist die Fehlerrate anfangs erschreckend hoch. Die Vorstufe war manchmal unser Bermuda-Dreieck. Alles verschwand und tauchte nie wieder auf. Und wenn in unserer Vorstufe eine Maus hustet, steht die Achtfarben-Speedmaster. Was haben wir unternommen, um von solchen Situationen verschont zu bleiben? Wir nutzen die Delta Technology von Heidelberg Prepress zur Ansteuerung des CtP-Recorders Creo Trendsetter und damit den automatisierten Prepress-Workflow mit allen Vorteilen des ROOM-Konzepts (RIP Once, Output Many). Nach dem Ausschießen des Bogens auf der Signastation gehen wir direkt auf die Kodak-Platten in Thermaltechnologie. Das hat uns Zeit und Kostenersparnis von über 50 % gegenüber der Handmontage und der konventionellen Kopie gebracht. Den Plattenausschuss konnten wir minimieren und sind bei einer Quote von annähernd 0 %. Wir verarbeiten über 80 % der gesamten Produktion im CtP. Noch erwähnen wollen wir die Trockenfilmbelichtung auf Polaroid-Film mit dem Drysetter, mit der wir die restlichen 20 % im CtF verarbeiten.

Reduzierte Kosten durch geringen Energieverbrauch

Kostenersparnis durch Innovation lässt sich aber nicht nur im digitalen Workflow umsetzen, sondern auch in Bereichen, in denen wir Energie-Ersparnis und Reduzierung von Wartungskosten mit ergonomischen Anforderungen an Luftqualität, Lärmbelastung und reduzierter Wärmeenergie-Vernichtung verbinden können. Ich meine eine bedarfsgerechte, sich selbst regelnde zentrale Luftversorgung mit wartungsfreien verschleißfreien Drehkolben Merlin-Pumpen. Die zentral geregelte Luftversorgung von Busch (Maulburg) ist als Back-up-System mit einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 85 % ausgelegt. Nur die 15 % Spitzen werden vom Reserveverdichter bedient (siehe dazu DD 26/99, S. g24).

Der Offsetprozess ist nicht konstant

Der klassische konventionelle Offsetdruck beruht auf dem Gleichgewicht von Farbe und Wasser im Druckprozess. Was aber passiert an unseren voll digital gesteuerten Druckmaschinen mit Farbzonenregelung? Die Farbe haben wir einigermaßen im Griff, aber wie regeln wir die Feuchtung? Von morgens um 8 Uhr bis abends um 22 Uhr ruft der Drucker ständig: »Es tont, es tont!« und dreht mit der sich erwärmenden Maschine ständig mehr Feuchtmittel auf, das auf 10 ºC gehalten wird, um die Maschine zu kühlen. Wie wir aus Erfahrung wissen, ist das ein sehr instabiler Prozess mit gleitenden Farbwasserschwankungen. Messen wir die Farbtemperatur in den Werken, können wir zwischen den acht Werken Temperaturen von 20 ºC bis 50 ºC messen. Reibungswärme-Entwicklung ist abhängig vom Farbverbrauch, vom Farbpigment, vom Bindemittel und von der Geschwindigkeit. Jedes Druckwerk erzeugt unterschiedliche Reibungswärme-Potentiale durch unterschiedliche Reibungskoeffizienten. Das ist mit den üblichen Methoden für eine optimale Produktionssicherheit und Qualitätssicherung nicht in den Griff zu bekommen. Der größte Feind des Farb-Wasser-Gleichgewichtes ist die unkontrollierte Wärme-Energieentwicklung und davon haben wir reichlich.

Regelbare Einflussgröße - Druckfarbentemperatur

Wir beseitigen die druckwerkbezogene, unterschiedliche Reibungswärme, indem wir jedes unserer 15 Druckwerke individuell mit einem eigenen Infrarotmesskopf berührungslos messen. Wir messen also tatsächlich die Farbtemperatur, mit der wir drucken und können sie, über individuell jedem Druckwerk zugeordnete Kühlmittelventile, auf einem Touchscreen-Monitor stabil einstellen und unsere Solltemperatur definieren. Damit ist die Farbentemperatur, also die Viskosität der Farben, zum ersten Male für uns eine exakt regelbare Einflussgröße. Temperatur und Viskosität befinden sich im Regelkreis. Feuchtmittelschwankungen durch unterschiedliche Wärmepotentiale sind verschwunden. Diese Master-Flo-Anlage aus Kanada hält den Prozess stabil. Wir arbeiten seit einem Jahr praktisch mit definierter Farbviskosität und mit einer festen Feuchtmitteleinstellung, die im Verbrauch um 25 bis 30 % reduziert ist.

Zentrale Kühlmittelerzeugung

Ein weiteres energetisches Highlight ist die zentrale Kühlmittel-Erzeugung für alle Kühlsysteme, Farbwerk-Temperierung und Feuchtwasser-Kühlung. Dazu kommt, dass die gesamte Prozesswärme der Kühlaggregate, der Luftleitbleche der Auslagen und der Trockenschränke über Wärmetauscher aus dem Haus geführt wird.

Dadurch müssen wir die erwärmte Luft im Drucksaal nicht mit der Klimaanlage herunterkühlen und haben eine erhebliche Energieersparnis.

Spindeln Sie noch?

Unsere Alkoholmess-Spindelbojen können 10 % Alkohol anzeigen, tatsächlich können es aber durch Einfluss von Temperatur- und Versalzungs- oder Verschmutzungsschwankungen bis zu 20 % sein. Das ist kein digitaler Mess- und Regelkreis. Abhilfe schafft hier nur die neue Methode der spektralphotometrischen Messung mit Infrarotlichtdefinierter Wellenlänge in Flüssigkeiten. Dieses Alkoprint-System von Unisensor (Karlsruhe) misst und regelt auf fast 0,3 % genau den Isopropanol-Alkoholgehalt in unserem Feuchtwasser. Das bedeutet bis zu 40 % Alkoholersparnis im Jahr und eine Verringerung des Alkoholgehaltes an den Grenzwert. Es bedeutet aber auch die Möglichkeit des späteren Einsatzes von Alkohol-Ersatzstoffen mit der gleichen Messmethode. Dies hat unseren gesamten Prozess noch stabiler gemacht.

Die vernetzte Druckerei

Wo gibt es tatsächlich ein Medienunternehmen, wo Prepress, Press und Postpress in einem digitalen Workflow aller Daten, in einem Netz zusammengeführt sind? Mit DataControl von Heidelberg und der Vernetzung des gesamten Unternehmens haben wir die Voraussetzungen geschaffen für mehr Planungssicherheit durch Echtzeitanalyse und Strukturierung der täglichen Chaosprozesse. Dabei hilft uns die elektronische Plan- und Kommunikationstafel sowie Infos und Nachrichten an die Mitarbeiter mit ständiger Plantafelaktualität. Mit dem elektronischen Tageszettel in der Vorstufe beginnt die Frage, wie viel Scans von den 150 noch zu machen sind, welcher Bogen bereits formgeprooft ist, welche Platten freigegeben sind.

Für den Druck bedeutet das, dass alle Zeitfunktionen der Maschinen registriert werden. Innerbetriebliche Leistungsdaten werden ohne Beschönigung als Voraussetzung für Zieldiskussionen und Erfolgsbeteiligung ermittelt. Elektronische Auftragsdaten, Auftragszustand und Leistungsdaten können in Echtzeit verfolgt werden. Zentrale Qualitätskontrolle durch Druckbogenscanner, Online-Zurückregelung von Soll-Ist-Wert-Abweichungen in den Maschinen und spektralphotomeische Druckkontrollstreifen-Messung lassen sich realisieren.

Für die Buchbinderei heißt das, Bindcom-Klebebinder-Analyse von Wohlenberg, Compucut/Datacontrol von Polar mit Schneidmaschinenanbindung und automatische Generierung von Schneidprogrammen aus CIP3-Daten. Falzmaschinen- und Sammelhefteranbindung sowie Leistungs- und Schwachstellenanalyse mit SCS 100 von Heidelberg/Stahl, über das Workplace-Interface.

Der Mensch macht's!

Neuland werden wir auch bei der Mitarbeiterführung beschreiten müssen. Lean-Produktion, Qualitätsmanagement und Öko-Audit sind Demokratisierungsstrategien. Die Verflachung der Hierarchien bedeutet, die Herunternahme der Verantwortung auf den einzelnen Mitarbeiter. Wir können den Menschen nicht aus der Wirklichkeit heraus rationalisieren. Nach Schrumpfkuren, Kostensenkung und Umstrukturierung benötigen wir eine Offensivstrategie für Wachstum und erhöhte Wertschöpfung. Uns ist nicht die Arbeit ausgegangen, sondern nur die Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen.

Problemlöser brauchen kreative Freiheit

Ich wünsche mir Mannschaftsgeist und gegenseitigen Respekt. Das passt besser zur sozialen Marktwirtschaft und zu unserer demokratischen Gesellschaft. Nicht Aktien arbeiten, sondern Menschen. Sie sind unser wichtigstes Kapital. Sie sind sicher erstaunt, dies in dieser Form von einem UnternehmerverbandsVorsitzenden zu hören. Aber es sind die Zeichen der Zeit. Wir befinden uns in einem großen Wandlungsprozess unserer Volkswirtschaften in den entwickelten reichen Ländern.

Hier ein paar Zahlen: Heute sind in den USA nur noch 10 % aller Arbeitsplätze mit der Herstellung von Waren befasst und 5 % mit Landwirtschaft der Rest ist Dienstleiung. In den alten Bundesländern sind 30 % und in den neuen Bundesländern 18 % aller Arbeitsplätze in den produzierenden Branchen zu finden.

In den Unternehmen der Mediendienstleister brauchen wir Mitarbeiter als Problemlöser mit Eigeninitiative, Risikobereitschaft und Selbständigkeit. Wir können keinem Dichter befehlen, ein schönes Gedicht zu schreiben. Problemlöser brauchen Freiheit, Bildung und Motivation für die Entfaltung von Fantasie und Engagement. Heute werden unsere Mitarbeiter für Problemlösungen bezahlt.

Mitarbeiterbeteiligung ist die erfolgreichste Motivation

Eine Prognose aus neuesten Untersuchungen der Delphi-Studie: Bis zum Jahr 2014, also in 15 Jahren, wird nur noch 50 % der Entlohnung über Arbeitszeit und 50 % über das Arbeitsergebnis erfolgen, durch Unternehmeraktien, Kapitalgenuss-Scheine, Gesellschafteranteile sowie Investivlöhne für Mitarbeiter. Die Firma SAP hat die Erfolgsentlohnung schon heute von 8 % auf 28 % des Gesamtlohnes entwickelt.

Es gibt keine erfolgreichere Strategie, als die Mitarbeiter zu Miteigentümern zu machen und sie am Unternehmenskapital zu beteiligen. Damit stärken wir die Verantwortungsbereitschaft, das Engagement und die Bindung an das Unternehmen und seine Ziele. Auch diese Mitarbeiterbeteiligung als Voraussetzung der Entfaltung von Humanproduktivität haben wir im Druckhaus Dresden realisiert und entwickeln sie weiter.

Zum Schluss lassen Sie mich unsere Unternehmensphilosophie zitieren: »Den Wert eines Unternehmens machen nicht die Gebäude und die Maschinen und auch nicht seine Bankkonten aus. Wertvoll an einem Unternehmen sind nur die Menschen, die dafür arbeiten und der Geist, in dem sie es tun.« Diese Philosophie stammt jedoch nicht von mir. Sie wurde verkündet von Heinrich Nordhoff, Vorstandsvorsitzender von VW, im Jahr 1951. So alt können moderne Erkenntnisse sein.
(Deutscher Drucker)

Karl Nolle im Webseitentest
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