Karl Nolle, MdL

ND - Neues Deutschland, 09.04.2003

SPD - Keine Lust auf Beifall

Angesichts der Sozialreform-Pläne grummelt der Unmut an der Parteibasis
 
Die Kritik in der SPD an den Plänen der Bundesregierung zur Reform der Sozialsysteme setzt sich fort. Vor allem ostdeutsche Sozialdemokraten halten die Linie für verfehlt.

Die soziale Balance stimmt nicht«, sagt Andrea Nahles. Die Sprecherin des linken SPD-Flügels lässt kaum ein gutes Haar an den Reformplänen der rot-grünen Bundesregierung. Nahles sieht die sozial Schwachen deutlich stärker belastet als die Starken und fordert von Gerhard Schröder grundlegende Korrekturen. Wer etwa die Ersparnisse von Langzeitarbeitslosen auf das neue Arbeitslosengeld anrechnen wolle, bastele an einer »Rutschbahn in die Armut«. So könne man aber mit der Lebensleistungen von Menschen nicht umgehen, die 30 und mehr Jahre Beiträge gezahlt haben, erklärte Nahles in einem Interview.

Ähnliches Unwohlsein grummelt überall in der SPD. Ottmar Schreiner, Vorsitzender der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, beobachtet denn auch eine »Besorgnis erregende Mitgliederentwicklung«. Die Reformpläne der Regierung werden laut Schreiner vielerorts als »Bruch mit einer sozialreformerischen Kontinuität« der SPD empfunden. Der designierte niedersächsische Landesvorsitzende Wolfgang Jüttner schätzt gar, dass drei von vier SPD-Stammwählern die Schröder-Reformen als Bedrohung betrachten. »In der Partei brennt die Hütte«, fasst Jüttner seine Gefühlswelt dramatisch zusammen.

Solche Kritik ist auch in den ostdeutschen Landesverbänden verbreitet. Nachdem sich am Wochenende schon der neue Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommerns gegen einen erheblichen Teil der Reformpläne gestellt hatte, forderte am Montag Landeschef Till Backhaus eine besondere Unterstützung für strukturschwache Gebiete namentlich im Osten. Backhaus’ Genosse Rudolf Borchert, stellvertretender Vorsitzender der Schweriner Landtagsfraktion, gehört zu den Teilnehmern des Gesprächskreises ostdeutscher SPD-Linker. Das Gremium, das sich am Montagabend wieder in Berlin getroffen hat, sei sich »sehr einig«, dass die Vorschläge des Kanzlers für den Osten nicht viel bringen, sagte Borchert auf ND-Anfrage. Die angekündigten Einschnitte beim Arbeitslosengeld kosten seiner Ansicht nach weitere Arbeitsplätze, weil die Kaufkraft sinkt.

Da ist er mit Karl Nolle einer Meinung. Der sächsische Landtagsabgeordnete ist überzeugt, dass es vor allem den Osten mit seiner weitaus höheren Arbeitslosenquote trifft, wenn Leistungen für Arbeitslose gekürzt werden. »Den neuen Ländern würde so Kaufkraft entzogen und in den Westen umverteilt«, sagt Nolle im Gespräch mit ND voraus. Überhaupt sei es »völlig schwachsinnig zu glauben, dass auch nur eine der geplanten Maßnahmen einen neuen Arbeitsplatz schafft«. Was die Regierung plant, bedeute nur Sozialabbau. Stattdessen brauchen Mittelstand und Handwerk »Aufträge, Umsätze und Gewinnerwartung. Dann investieren sie und schaffen Arbeitsplätze. Mit Daumenschrauben für Arbeitnehmer und Arbeitslose lässt sich jedenfalls keine Wirtschaftsdynamik erreichen.«

Allerdings halten sich Nolles Hoffnungen auf Änderungen der Reformpläne in Grenzen. Die Gewerkschaften seien leider auch anfällig für das Gift des Neoliberalismus, klagt der wortgewaltige Chef einer Dresdner Druckerei. »Natürlich« sei er für einen jetzt ins Gespräch gebrachten SPD-Sonderparteitag zu den Sozialreformen. Der könnte eine öffentliche Debatte über das Thema fördern, Mehrheiten für einen anderen Kurs erhofft sich Nolle davon allerdings nicht.

Skeptisch ist er auch, wenn er an die von der SPD-Führung angekündigten Regionalkonferenzen zur Debatte über die Sozialreformen denkt. Er hat »die große Sorge, dass diese Konferenzen ablaufen wie der Magdeburger Ostparteitag« vor einem guten Jahr. »Damals kamen 35 Redner aus dem Präsidium und nur ein einziger aus dem Saal. Es ist zu befürchten, dass bei den Regionalkonferenzen nur Beifall für die Pläne der Regierung geklatscht werden soll.«
(Von Wolfgang Hübner)

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