Freie Presse Chemnitz, Schwarzenberg, 22.05.2003
Alarmierend: Einwohnerverlust hält weiter an
SPD-Landtagsfraktion für mehr Unterstützung des Mittelstandes - Karl Nolle warnt Unternehmen vor kurzsichtigen Personalentscheidungen
ERLABRUNN. „Wie weiter im Erzgebirge?“ Antworten auf diese Frage sollten während einer Podiumsdiskussion, zu der die SPD-Landtagsfraktion Dienstagabend nach Erlabrunn eingeladen hatte, gefunden werden.
Am Ende der Veranstaltung waren die anwesenden Mitglieder des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit, lnfrastruktur und Umwelt und die wenigen Vertreter aus Wirtschaft und Politik aus der Region gut über die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen und in der Region Aue-Schwarzenberg informiert.
Ebenso über die Vorschläge der sächsischen SPD zu einer neuen Wirtschaftspolitik, die
Karl Nolle vortrug. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion leitet selbst ein mittelständisches Unternehmen und vertritt die Meinung, dass man bei der Mittelstandsförderung neue Schwerpunkte setzen sollte. Hauptziel der Wirtschaftsförderung müsse vor allem die Stärkung der wirtschaftlichen Basis vorhandener Unternehmen sein. Nolle plädiert für eine qualifizierte Beratung von Unternehmen und eine konsequente Entbürokratisierung der Förderpolitik, eine Verbesserung der Finanzausstattung der Betriebe, verstärkte Forschung und Entwicklung, eine intensivere Vorbereitung auf die Bevölkerungsentwicklung, die Erschließung neuer - insbesondere ausländischer - Märkte für kleine Unternehmen, einen Abbau der Hürden für Existenzgründer, die Verbesserung der Infrastruktur, Stärkung der Aus- und Fortbildung und den Aufbau regionaler Netzwerke und lnnovationszentren.
"Die Probleme von morgen müssen wir heute anparken“, sagte Nolle und „uns werden bald die Leute ausgehen, die die Arbeit machen". Zum Beweis legte er Zahlen auf den Tisch, die wohl wenigen der Anwesenden in dieser Deutlichkeit bekannt waren. Gibt es in Sachsen in diesem Jahr etwa 55.000 15-jährige, die eine Ausbildung beginnen, so wird sich diese Zahl bis 2008 fast um die Hälfte reduzieren.
Im Gegensatz dazu wird die Zahl der 60-jährigen sprunghaft ansteigen. Unternehmen müssen daher eine vorausschauende Personalplanung betreiben, weshalb Nolle einen „Runden Tisch der Personalentwicklung“ ins Leben rufen möchte.
Die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen und im Landkreis Aue-Schwarzenberg stellte SPD-Mitarbeiter Thomas Kralinski anhand einiger Zahlen des Statistischen Landesamtes dar. Demnach schrumpft die Bevölkerung in Sachsen seit 1999 stärker als in allen anderen Bundesländern.
Insbesondere in den peripheren Regionen. Im Bereich Aue-Schwarzenberg habe es seit 1990 einen Einwohnerverlust von 14 Prozent gegeben. Damit zähle der Landkreis hinter Hoyerswerda, Görlitz, Chemnitz, Zwickau und Löbau zu den „Spitzenreitern:“
Rund 600.000 Sachsen verließen seit der Wende ihre Heimat und diese Tendenz geht weiter. Prognosen besagen, dass von den einst 4,9 Millionen Einwohnern im Jahr 2015 nur nach vier Millionen hier leben werden. Zur Abwanderung (meist aus ökonomischen Beweggründen) kommt die Halbierung der Geburtenrate. Und es sind vor allem die 18- bis 35-jährigen, die in den letzten Jahren weggegangen sind, darunter besonders viele Menschen mit höherem Bildungsgrad, jeder kann sich selbst ausmalen, wie sich diese Fakten künftig auswirken.
Deshalb will sich die SPD dafür einsetzen, dass Sachsen für junge Menschen und Familien wieder attraktiver wird, sich die Löhne positiv entwickeln und bestimmte Regionen nicht zu Sonderwirtschaftszonen oder Billiglohngebieten werden. Das unterstützt auch Dr. Simone Raatz, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion. Sie machte einige Ausführungen zu den aktuell diskutierten Themen Landesentwicklungsplan und Bundesverkehrswegeplan. Viel zu wenig würden hier die Erfordernisse der EU-Osterweiterung berücksichtigt, sagte sie. Sachsen hat die längsten Grenzabschnitte bezüglich der EU-Osterweiterung. Schon deshalb müsse es deutliche Nachbesserungen zum derzeitigen Stand der genannten Pläne geben.
(von Ute Schwichtenberg)