Lausitzer Rundschau, 29.08.2000
Ausschuss startet mit Eklat
Regierung wird Protokolle zur Untersuchung um das Paunsdorf-Center lesen können
DRESDEN. Der so genannte Paunsdorf-Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages hat offensichtlich seinen ersten Eklat. Bei der konstituierenden Sitzung das Ausschusses wurde auf Antrag der CDU durchgesetzt, dass den Mitgliedern der Staatsregierung alle Protokolle einschließlich die der Zeugenvernehmungen zur Verfügung gestellt werden.
Das Verfahren verstoße gegen die Strafprozessordnung, hieß es bei der PDS. Es gebe damit praktisch zwei Klassen von Zeugen. Die der Opposition, die mit niemandem über den Untersuchungsgegenstand sprechen dürfen, und die Mitglieder der Staatsregierung.
Verfahren wird geprüftDer SPD-Vertreter im Ausschuss,
Karl Nolle, kündigte an, diese Verfahren durch ein juristisches Gutachten überprüfen zu lassen. Wer Gegenstand des Verfahrens und nicht an die Schweigepflicht gebunden sei, dürfe dieses brisante Material nicht zur freien Verfügung haben, sagte Nolle. Auch Sachsens Datenschutzbeauftragter, Thomas Giesen, hatte gegen das mit CDU-Mehrheit beschlossene Verfahren Einwände geltend gemacht.
Bei der CDU werden die Vorwürfe zurückgewiesen. Die von der Opposition kritisierte Übersendung von Protokollen sei in allen Untersuchungsausschüssen der zurückliegenden Wahlperiode Praxis gewesen. Protokolle von Sitzungen, in denen die Staatsregierung ausgeschlossen sei, würden auch weiterhin nicht an diese übersandt. Der CDU-Obmann im Ausschuss, Horst Rasch, warf der PDS im Gegenzug vor, in dem von ihr initiierten Ausschuss keine Profilierungsmöglichkeit mehr zu sehen und deshalb "Spiegelfechtereien auf Nebenkriegsschauplätzen" auszutragen./
Ebenfalls erfolglos blieb ein Vorstoß der PDS, die durchsetzen wollte, dass bei der Vernehmung mehrerer Zeugen während einer Sitzung wenigstens eine Zeuge auf Antrag der Ausschuss-Minderheit gehört wird. Damit sollte verhindert werden, dass die Vernehmung von Zeugen der Opposition beliebig verschleppt werden kann. Die SPD kritisiert zudem, dass alle angeforderten Beweisakten der einzelnen Ministerien zuvor in der Staatskanzlei zusammengetragen werden. Die Staatskanzlei sei weder eine Sammelstelle noch eine Aufsichtsbehörde, sagte Nolle.
Unzulässiger Einfluss?Im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss soll geklärt werden, ob Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) oder andere Mitglieder der Staatsregierung bei der Anmietung eines Behörden-Centers in Leipzig-Paunsdorf unzulässigen Einfluss auf die Gestaltung der Mietkonditionen genommen haben.
Das so genannte Paunsdorf-Center war 1994 von dem mit Biedenkopf befreundeten Kölner Bauunternehmer Heinz Barth errichtet worden. Biedenkopf hatte sich seinerzeit über die Vertragsverhandlungen mit Barth vom Finanzministerium berichten lassen. Der Landesrechnungshof bemängelte schon 1996 die für den Freistaat ungünstigen Mietkonditionen, wie die Miethöhe und die lange Vertragslaufzeit. Ein Vorermittlungsverfahren der Leipziger Staatsanwaltschaft war 1998 ergebnislos eingestellt worden.
(Ralf Hübner)