Freie Presse, 06.06.2003
Steuerahlerbund fordert sofortigen Rücktritt von Weber
Meyer: Noch 52 Tage bis zur hohen Pension - Staatsanwaltschaft ermittelt gegen CDU-Politiker – Keine Verbindung zum Fall der Ministerin
CHEMNITZ. Der Steuerzahlerbund in Sachsen forderte gestern wegen des Fluthilfe-Skandals den Rücktritt der Sozialministerin Christine Weber (CDU). „Und zwar in den nächsten 52 Tagen - vor dem Erreichen ihres Pensionsanspruches", sagte Präsident Thomas Meyer der „Freien Presse". Hält sich Ministerin Weber noch 52 Tage im Amt, hat sie Anspruch auf eine hohe Pension. Für vier Jahre Arbeit als Ministerin bekäme sie nach der Bundesbesoldungsordnung monatlich über 4000 Euro. Auf zwanzig Jahre hochgerechnet sind das knapp eine Million Euro. Würde sie früher entlassen oder von selbst zurücktreten, müsste sie sich zunächst mit einem Übergangsgeld von 65.000 Euro zufrieden geben.
Webers Stuhl wackelt, weil sie Fluthilfe in Höhe von über 17.000 Euro erhalten hat, obwohl ihr Haus am Hang und nicht an einem Fluss steht. Nach den Flutopfer-Richtlinien gibt es keine Entschädigungen für Regenschäden. Am Dienstag, als der öffentliche Druck immer stärker wurde, kündigte Weber an, die Finanzhilfen zurückzahlen zu wollen. Unterschrieben und somit befürwortet wurde Webers Fluthilfe-Antrag vom Zschopauer Oberbürgermeister Klaus Baumann (CDU), gegen den die Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen Beihilfe zum Betrug ermittelt. Dieses Verfahren habe allerdings nichts mit dem Fall Weber zu tun, teilte Sprecher Christian Golz mit. Zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen Baumann wurden 2002 nach Zahlung eines Geldbetrages eingestellt. Auch diese Fälle stünden nicht mit dem jetzigen und auch nicht mit dem Fall der Ministerin in Verbindung. Unter anderem sei es um Veruntreuung von Arbeitsentgelt gegangen.
Auch der Chemnitzer CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Hermsdorfer ist jetzt in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Während seiner Präsidentschaft soll ein Chemnitzer Basketballverein im Jahre 1998 eine Rechnung über 1350 Euro an ein Sporthaus nicht bezahlt haben. 2000 ging der Verein in Insolvenz. Der Gläubiger hatte Hermsdorfer aber erst jetzt anzeigt. Wie die Staatsanwaltschaft der „Freien Presse" bestätigte, wurde der Landtagspräsident von den Vorermittlungen informiert und ein Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten gestellt.
(Johannes Fischer und Udo Lindner)