SZ-Online, 19.06.2003
Sozialministerin Weber gibt ihr Amt auf
Milbradt: Gesundheitliche Gründe / Nachfolge ungeklärt
Dresden - Sachsens umstrittene Sozialministerin Christine Weber (CDU) hat ihren Rücktritt erklärt. „Sie übergab mir gestern eine Erklärung, dass sie mit Rücksicht auf ihren gesundheitlichen Zustand keine Möglichkeit mehr sieht, ihre Aufgaben als Mitglied des Kabinetts zu erfüllen“, sagte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in Dresden. Die Ministerin liegt zur Zeit im Krankenhaus.
Einen Nachfolger benannte Milbradt nicht. Er werde jetzt entsprechende Gespräche führen, sagte er. Vorerst führe Staatssekretär Albin Nees das Ministerium, nach außen werde Umwelt- und Agrarminister Steffen Flath (CDU) das Haus vertreten.
Die 54-jährige Weber steht seit Wochen wegen Fluthilfen für ihr Privathaus in Zschopau in der öffentlichen Kritik. Nach dem Augusthochwasser im vergangenen Jahr bekam sie insgesamt 17349 Euro zur Schadensbeseitigung zugesprochen, obwohl sie keinen Flut-, sondern einen Regenwasserschaden erlitten hatte. Besonders umstritten ist ein im April dieses Jahres beantragter Nachschlag von mehr als 7000 Euro. Zu diesem Zeitpunkt war eindeutig klar, dass Regenwasserschäden nicht unter Fluthilfe falle. Weber hat das Geld zurück gezahlt.
Weber selbst - einzige Frau im Kabinett - liegt nach einem schweren Nervenzusammenbruch am Pfingstsonntag im Krankenhaus. Die 54-Jährige ist akut selbstmordgefährdet, hatte die Staatskanzlei am Montag unter Berufung auf den behandelnden Arzt mitgeteilt. Im dem vor gut einem Jahr von Milbradt gebildeten Kabinett gab es bislang keinen Wechsel.
SPD: Weber-Rücktritt zu spät
Nahezu identisch übten die anderen Parteien im Landtag scharfe Kritik an der Entscheidung Webers. Für die SPD-Landtagsfraktion kam der Rücktritt zu spät. Ministerpräsident Milbradt habe viel zu lange gezaudert und gezögert, hieß es in einer Mitteilung von Fraktionschef Thomas Jurk. Er hätte nie zulassen dürfen, dass sich Webers Affären zur menschlichen Tragödie entwickelten. Für Jurk ist der Rücktritt der Politikerin äußeres Zeichen für eine sichtbare fehlende Führung durch Milbradt.
Zu spät meint auch die PDS
Auch die PDS-Landtagsfraktion kritisierte den Rücktritt als zu spät und forderte eine Kabinettsreform. Mangels einer beherzten rechtzeitigen Entscheidung und durch unsensiblen Umgang mit der umstrittenen Fluthilfe für die Politikerin sei der Ruf des Freistaates bei einem sehr sensiblen Thema beschädigt worden, hieß es in einer Erklärung von PDS-Fraktionschef Peter Porsch. Milbradt habe mit seiner „nichtministrablen Besatzung“ Schiffbruch erlitten. „Er kommt um eine Kabinettsreform nicht herum, soll das Regierungsschiff wieder flott gemacht werden.“
Grüne: Weg frei für Neubesetzung des Sozialressorts
Die sächsischen Grünen sehen mit dem Rücktritt den Weg frei für eine überfällige Neubesetzung des wichtigen Ressorts. „Der Rückzug erfolgt spät, aber nicht zu spät“, sagte Landesvorstandssprecher Karl-Heinz Gerstenberg. Webers Fluthilfe-Fall, das Festhalten am Amt und die zögerliche Haltung von Milbradt seien zum Schaden für den Freistaat gewesen.
FDP: „Akt politischer Hygiene“
Für Sachsens FDP ist die Entscheidung ein „längst überfälliger Schritt“ und „Akt der politischen Hygiene“. Der Ministerpräsident habe mit dem langen Festhalten an Weber dem Ansehen des Landes geschadet, sagte FDP-Landeschef Holger Zastrow in einer Erklärung. Dies habe eine „in weiten Teilen unwürdige öffentliche Diskussion“ provoziert, die in der Bekanntgabe von Einzelheiten des ärztlichen Dossiers gipfelte. Milbradt sollte die Neubesetzung des Sozialministeriums als Chance für eine allgemeine Kabinettsumbildung nutzen.
(dpa)