DNN - Dresdner Neueste Nachrichten, 19.06.2003
Noch kein Befreiungsschlag
Kommentar von Jürgen Kochinke
Spät, aber nicht zu spät hat Regierungschef Milbradt die Reißleine gezogen. Seit zwei Wochen steht fest, dass Sozialministerin Weber wegen Flut- und anderer Affären nicht zu halten ist. Doch Milbradt zögerte, brauchte eben jene Frist, um das Unabwendbare zu registrieren: den politischen Rückzug seiner getreuen Mitstreiterin aus alten Tagen.
Das ist bezeichnend für sein Handeln. Gerade in personalpolitischen Fragen agiert der Regierungschef defensiv, scheut oft und gern das Risiko. Das hat viel mit den Querelen in der Nachfolge von Biedenkopf zu tun, doch es verstellt den Blick auf die Realität. Denn auch hier war klar: Das Problem hat sich längst verselbstständigt, mit einem offensiveren Vorgehen hätte Milbradt sich und der angeschlagenen Ministerin manches erspart.
Jetzt haben beide gerade noch mal die Kurve gekriegt. Von einem Befreiungsschlag aber ist Milbradt weit entfernt. Anstatt den Fall zum Anlass für eine größer angelegte Kabinettsumbildung zu nutzen, setzt er wie gehabt auf Kompromiss und Kontinuität - kein Wechsel im Innenressort, keine Veränderung im Bereich Wirtschaft. Das ist das, was man eine kleine Lösung nennt.
(Jürgen Kochinke)