Dresdner Morgenpost, 19.06.2003
Statt Pesion gibt´s nur ein “Übergangsgeld”
Sozialministerin Christine Weber zurückgetreten
DRESDEN. Der Druck war einfach zu groß geworden: Nach wochenlanger Schlammschlacht erklärte Sozialministerin Christine Weber (54, CDU) am Dienstagabend per Brief ihren sofortigen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen.
Ministerpräsident Georg Milbradt (58, CDU) holte den Brief persönlich ab. Es ist der erste Rücktritt seit seiner Regierungsübernahme. Zuvor hatte er zweieinhalb Stunden mit der Ministerin am Krankenbett gesprochen - erstmals seit ihrem schweren Nervenzusammenbruch am Pfingstsonntag. Milbradt, sichtlich betroffen und wortkarg: „Ihr Zustand ist sehr ernst." Am Montag hatte Webers Arzt „akute Suizidgefahr" attestiert. „Sie war aber in der Lage, die Situation zu beurteilen und Konsequenzen zu ziehen", sagte Milbradt. „Ich bedaure die Entwicklung, habe aber Verständnis und Respekt für ihre Entscheidung."
Unklar ist, wer Frau Webers Amt übernimmt. Milbradt will eine Lösung noch vor der Landtagswahl 2004. Vorübergehend leitet Staatssekretär Albin Nees (64) das Ministerium. Umweltminister Steffen Flath (46, CDU) vertritt das Amt nach außen.
Frau Webers Rücktritt beendet eine mehrwöchige Affäre. Auslöser dafür waren 17 349 Euro Fluthilfe, die die Ministerin für ihr Haus in Zschopau beantragt hatte - offenbar zu Unrecht. Erst nach öffentlicher Kritik zahlte sie die bis dahin bereits ausgezahlten 10 000 Euro zurück, wollte jedoch
im Amt bleiben. Mit dem sofortigen Rücktritt verliert sie jetzt ihren Anspruch auf eine lebenslange Ministerpension, erhält nun drei Monate lang 6 273 Euro Übergangsgeld, danach für weitere zwei Monate je 2 372 Euro. Frau Weber bleibt Landtagsabgeordnete und Vize-Chefin der sächsischen CDU.
Der Rücktritt: Das sagt TU-Politik-Professor Werner Patzelt über
• den Zeitpunkt: Die Ministerin war durch ihre Affäre zu einer Belastung für Kabinett und Partei geworden. Der öffentliche Unmut war riesig, drohte die CDU einige Prozentpunkte zu kosten. Aber Frau Weber ist eine langjährige politische Weggefährtin von Georg Milbradt. Er müsste ihr Zeit geben, selbst, übernotwendige Konsequenzen nachzudenken. Länger hätte die Diskussion nicht dauern dürfen.
• Milbradts Handlungsfähigkeit: Hätte er jetzt nicht gehandelt, hätte er seine Amtspflicht verletzt. Aber er wollte die Sache menschlich regeln. Die heutige Botschaft ist: Auch wenn es schwer fällt, trifft der Ministerpräsident harte Entscheidungen.
• die Zukunft des Kabinetts: Man mag fachpolitisch am Kabinett einiges kritisieren. Doch mit Rücksicht auf die Fraktion ist es politisch gut komponiert. Damit muss Milbradt bis zur Wahl durchhalten. Eine große Kabinettsumbildung würde ihm auf die Füße fallen und Unmut in der Fraktion auslösen.
(Stefan Locke)