Karl Nolle, MdL

DNN - Dresdner Neueste Nachrichten, 02.07.2003

Ausschuss-Posse um Umgang mit Verschlusssachen

Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer sagt im Landtag zu Sachsenring-Affäre aus
 
DRESDEN. Sachsens früherer Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) hat 14 Kilo abgenommen. "Ganz ohne Hungern, normal Essen, normal Wein trinken". Als er das einem Parteifreund zuruft, wirkt er kurz gelöst. Doch gleich ist die Nervosität wieder da. Ein ungewöhnlich angespannt wirkender Minister a.D. war gestern zur Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags zur Sachsenring-Affäre erschienen. Das Gremium untersucht, ob die Sachsenring AG (SAG) 1998 bei der Übernahme des Dresdner Halbleiterunternehmens ZMD statt 25 Millionen Mark als Mitgift 29 Millionen Mark erhalten hat, damit im Gegenzug Sachsenring dann für die CDU-nahe Kampagne "Sachsen für Sachsen" rund drei Millionen Mark ausgibt. Der frühere SAG-Vorstand Ulf Rittinghaus hatte erklärt, Schommer habe ihm dies bei einem Treffen am 9. Oktober 1998 im Saalepark nahegelegt. "Der Sinn der Kampagne sollte sein, dass man in Sachsen nur eine Politik wählen kann, und zwar die des Ministerpräsidenten", so Rittinghaus vor dem Ausschuss.

Schommer erschienteilweise widersprüchlich

Vor dem Ausschuss verpasste Schommer den Journalisten eine Fitnesskur. Immer wieder musste die Presse den Saal verlassen, weil der Ex-Minister, der heute als Unternehmensberater tätig ist, aus Verschlusssachen (VS) des Wirtschaftsministeriums zitierte. Aufgrund des von der CDU im Ausschuss durchgesetzten Umgangs mit solchen Papieren, dürfen diese nur in nicht öffentlichen Sitzungen behandelt werden. Also genügte ein Wort aus einem VS-Papier, um den Journalisten Bewegung zu verschaffen. Der Öffentlichkeit war damit nahezu unmöglich gemacht, die Aussage inhaltlich zu verfolgen. Besonders fragwürdig: Während selbst Abgeordnete die Dokumente nur in einem speziellen Raum einsehen und sich nur Notizen machen dürfen, hatte Schommer die Unterlagen vom Ministerium in Absprache mit Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer (CDU) in Kopie zur Verfügung gestellt bekommen. Die SPD will das gerichtlich prüfen lassen. Im Streit um den Umgang mit VS-Papieren gerieten am Rande der Ausschusssitzung der CDU-Abgeordneten Hans Heinz Lehner und Karl Nolle (SPD) so sehr aneinander, dass sich Beobachter an Verhältnisse im russischen Parlament erinnert sahen.

Schommer bestritt die Vorwürfe und versuchte, den früheren SAG-Vorstand Rittinghaus als unglaubwürdig hinzustellen. Dieser operiere vor dem Ausschuss und in Gerichtsverfahren zu dieser Sache mit gefälschten Papieren und immer wieder neuen Varianten über deren Entstehung. Möglicherweise taugt dies aber nicht, um Rittinghaus ins Zwielicht zu rücken. Eine Sekretärin soll inzwischen an Eides statt erklärt haben, sie hätte die fragliche Aktennotiz angefertigt. Darin war im Januar 1999 festgehalten worden, das Rittinghaus den SAG-Aufsichtsrat über die Umstände der Kampagne "Sachsen für Sachsen" informiert habe. Schommer wollte zudem verdeutlichen, dass Rittinghaus selbst die Kampagne anstieß und mit der beauftragten Firma WMP hauptsächlich er selbst und Personen aus seinem Umfeld als WMP-Teilhaber begünstigt worden seien.

Doch auch Schommers Darstellung erschien widersprüchlich. So sagte er nach langem Vortrag, zu den 29 Millionen Mark sei es erst gekommen, als Rittinghaus am 15. Oktober 1998 in einer Beratung mit dem Verzicht auf das vor der Pleite stehende ZMD drohte. Zuvor hatte Schommer jedoch erklärt, der verhandlungsführende Beamte sei bereits mit ministeriellem Okay für 29 Millionen DM in das Gespräch gegangen, weil spätestens seit 6. Oktober durch Schreiben der SAG-Anwälte Rittinghaus' Position bekannt war. Dazwischen aber liegt der 9. Oktober mit dem Treffen im Saalepark bei der Automobilausstellung "Horch und staune".
(Ingolf Pleil)

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