VORWÄRTS - Regionalausgabe Sachsen, 10.07.2003
Monate später: Noch ein Flutopfer
Gier beendet politische Karriere von Ministerin Weber / Menschliche Tragödie
SACHSEN. In wenigen Wochen jährt sich der Tag des Beginns der Jahrhundertflut. In den meisten Fällen sind die Wände wieder trocken, die Elbe ist wieder in ihrem Flussbett, die Fluthilfegelder bezahlt. Und doch ist am 18. Juni diesen Jahres noch ein weiteres Flutopfer zu verzeichnen gewesen. Christine Weber, Sächsische Ministerin für Soziales und stellvertretende Vorsitzende der sächsischen Christdemokraten, wurde von der Flutwelle aus dem Amt gehoben.
Zschopau im August 2002. Am Hang hat die Ministerin ihr Häuschen. Als der große Regen den Hang hinunter kommt, erwischt es auch das Haus der Ministerin. Das Wasser, das den Hang hinunterläuft, fließt in ihren Keller und richtet Schaden an. Soweit so gut. Doch Frau Weber tut nicht, was andere Sachsen tun: Hand anlegen und reparieren - weil allen anderen offensichtlich klar ist, dass nur Flutschäden und keine Regen- oder Hangwasserschäden ersetzt werden. Nein: Ministerin Weber bekommt im Kabinett Wind davon, dass es Debatten zwischen Bund, Bayern und Sachsen gibt, welche Schäden formell in die Förderung aufgenommen werden sollen. Und lässt ihren Parteifreund (zufällig) Architekt den Schaden zusammenstellen. Das Papier faxt sie vom Ministerfax an einen anderen Parteifreund (zufällig) Bürgermeister, der gleich seine Unterschrift darunter setzt und zurückfaxt. Dann geht das Fax sofort zur Sächsischen Aufbaubank. Da meinte zwar einer der Mitarbeiter „geht nicht", ein anderer stellte jedoch klar, dass es schon gehen könne. Gesagt, gefördert. Die ersten 10.000 Euro fließen gen Zschopau aufs Ministerinnen-Konto. Zeitgleich übrigens mit der Ablehnung der Förderanträge für diverse Kindertagesstätten...
36 Stunden nach der Blitzbewilligung für die Ministerin erreicht dann ein offizieller Bescheid die Sächsische Aufbaubank: Kein Fluthilfegeld mehr für Hangwasser. Und die (Ex-) Ministerin sollte nicht zuvor schon gewusst haben, dass es einen solchen Bescheid geben würde?
Als ihre Verfehlungen ans Licht der Öffentlichkeit kommen, weil der „Chefaufklärer der sächsischen Sozialdemokratie",
Karl Nolle, Bürgerhinweisen nachgegangen war, tut die Dame zickig. Alles sei rechtens, alles korrekt. Aber die Presse lässt nicht locker. Zudem eifrige Rechner bald herausfinden, dass die gute Frau Weber bis Ende Juli 2003 im Amt durchhalten müsste, um monatlich 4000 Euro Ministerrente abzufassen.
Und Ministerpräsident Milbradt schweigt, handelt auch dann nicht, als bereits seine komplette Partei mit Generalsekretär und Fraktionschef ihn auffordern zu handeln. Milbradt ist offenbar nicht fähig im entscheidenden Moment zu handeln, dieses Resultat steht am Ende eines wahrlich einmaligen Endes. Denn da wird - vielleicht um Mitleid zu erheischen - ein ärztliches Bulletin veröffentlicht: Suizidgefahr bestünde bei Frau Weber, die sich in psychiatrische Behandlung begeben habe. Die Farce erreicht ihren Höhepunkt als die Schwerkranke gar höchst selbst ihr Rücktrittsgesuch schreiben muss, das der Ministerpräsident dann wenigstens am Krankenbett abholt.
Fazit: Die Sozialministerin ist gegangen, der Ministerpräsident ist beschädigt und alle fragen sich, warum Georg Milbradt nicht eher in der Lage war Schaden, auch menschlichen, zu begrenzen.
Die Antwort ist einfach: Es wackeln einfach schon zu viele Säulen auf denen Milbradts Kabinett ruht. Fällt eine; droht das Kabinett insgesamt auseinander zu fallen.
Bilanz des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Jurk: „Der Zerfall des Übergangkabinetts Milbradt ist in vollem Gange."
(Karl Nolle)