Freie Presse, 10.07.2003
SPD macht Druck: Sächsischen Filz endlich bekämpfen
Immer noch kein Anti-Korruptions-Gesetz - Internationale Kritik an Deutschland - "Schlagzeile des Jahres" brachte die Affäre Weber ins Rollen
Dresden/Köln. Die SPD-Fraktion im sächsischen Landtag will der Regierungspartei CDU bei der Bekämpfung von Filz und Korruption auf die Sprünge helfen. Sie fordert endlich die Verabschiedung des Anti-Korruptions-Gesetzes, das sie selbst schon im August des vergangenen Jahres eingebracht hat. „Wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, dass die CDU-Mehrheitsfraktion das Gesetz nicht will. Sie blockt ab“, kritisierte die SPD-Abgeordnete Gisela Schwarz. Sie forderte zudem zum wiederholten Male die Suspendierung des in mehrere Affären verwickelten Stollberger Landrats Udo Hertwich (CDU): „Landesinnenminister Horst Rasch (CDU) muss dem Chemnitzer Regierungspräsidenten Karl Noltze eine Frist setzen, in der eine Suspendierung Hertwichs zu erfolgen hat“, sagte Schwarz. Schwerpunkt des von der SPD geforderten Gesetzes ist die Einführung eines Anti-Korruptions-Registers, das Firmen aufführt, die nachweislich geschmiert haben. Solche Firmen würden dann für zwei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.
Einer Rangliste der internationalen Anti-Korruptions-Gesellschaft „Transparency“ zufolge wird in Deutschland sehr viel mehr bestochen als in anderen Industrieländern. Sehr wichtig im Kampf gegen Bestechlichkeit sei ein so genanntes Informationsfreiheitsgesetz, sagte Hansjörg Elshorst, Vorsitzender der deutschen Abteilung von „Transparency“. Viele Verwaltungen verweigerten nämlich die Einsicht in ihre Arbeit und Akten.
Kritik an Deutschland hat auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geäußert. In einem Prüfbericht heißt es, die Verfolgungsbehörden könnten nur eingeschränkt zusammenarbeiten. Die OECD empfiehlt die Schaffung eines Zentralregisters „unzuverlässiger“ Firmen. Problematisch sei auch, dass Hinweisgeber in Firmen und Behörden in Deutschland gesetzlich nicht ausreichend geschützt seien.
Eine nach dem Kölner Müllskandal eingeleitete landesweite Untersuchung hat in Nordrhein-Westfalen „die schlimmsten Befürchtungen“ wahr werden lassen, wie SPD-Innenminister Behrends bei Vorlage des Abschlussberichtes sagte. Im Müllgeschäft an Rhein und Ruhr herrscht fast überall Korruption.
Für seine Berichterstattung über die Fluthilfe-Affäre der CDU-Sozialministerin Christine Weber, die zu deren Rücktritt führte, ist „Freie Presse“ - Redakteur Hubert Kemper gestern in Dresden ausgezeichnet worden. Die Landespressekonferenz vergab ihren Preis „Schlagzeile des Jahres“ für Kempers Enthüllungsgeschichte „Sozialministerin in gefährdeter Hanglage“.
(Johannes Fischer und Jörg Neikes)