Sächsische Zeitung, 05.08.2003
Mittweidas skurriler Kriminalfall: Herkunft der Bänder bleibt unklar
Gutachter der Bayerischen Polizei sehen keine sicheren Hinweise für eine Fälschung der verfänglichen Gespräche
Eine Tonbandkassette sorgte vergangenen November nach sieben Jahren noch einmal für Aufregung in dem skurrilen Kriminalfall um die geplante Entführung des Landrates Andreas Schramm (CDU). Die aufgezeichneten Gespräche könnten den verurteilten Ex-Sparkassenchef Kurt Fischer entlasten. Doch sofort tauchte der Vorwurf auf: Sie seien gefälscht. Zwei Gutachten bestätigen jetzt: Eine Fälschung ist nicht nachweisbar.
Bei den Mitschnitten handelt es sich um zwei Gespräche zwischen dem Privatdetektiv Rainer Kapelke und Kurt Fischer. Die Gespräche wurden dem Ex-Banker vor Gericht zum Verhängnis, da Kapelke, früher V-Mann der bayerischen Polizei und von der Stasi als IM geführt, mit der windigen Entführungsgeschichte zur Polizei gelaufen war. Das Palaver wurde zur Grundlage für Fischers Verurteilung zu drei Jahren Haft.
Zweites Spiel mit dem unglaubwürdigen Zeugen
Das Band war im November per Post beim SPD-Landtagsabgeordneten
Karl Nolle eingegangen und schließlich bei der Generalstaatsanwaltschaft gelandet. Nachfragen ergaben damals, dass auch das Landeskriminalamt bereits eine Kopie des Bandes besaß und an dessen Echtheit zweifelte. Denn wieder war Detektiv Kapelke in Sachsen aufgetaucht und hatte erzählt: Fischer habe ihn genötigt, für 15 000 Euro die beiden Gespräche wie ein Hörspiel nachzustellen.
Seit Monaten soll die Chemnitzer Staatsanwaltschaft Licht in die trübe Affäre bringen. Der „Focus“ zitiert zu Jahresbeginn schon mal einen Dresdner LKA-Mann, der sich „ziemlich sicher“ war, dass Tontechniker feststellen würden, ob das Band aus dem Jahre 1995 oder aus dem Jahr 2002 stamme.
Doch da irrte der Beamte. Denn die beauftragten Spezialisten des bayerischen Landeskriminalamtes in München wollen sich in dieser entscheidenden Frage nicht festlegen. Auch die Frage, ob die Stimmen auf dem Band mit den Stimmen der Telefonüberwachung aus dem Jahr 1995 identisch sind, werden nach der so genannten „audiotechnischen“ Untersuchung nicht beantwortet. Dafür fanden die Experten „keine Hinweise darauf, dass die Gesprächsaufzeichnungen zusammengeschnitten oder im Nachhinein bearbeitet wurden“. Lediglich Geräusche einer Unterschrift könnten imitierte sein. Die Spezialisten waren gar nach Regensburg gereist, um Kapelkes quietschende Bürotür zu hören.
Der Chemnitzer Oberstaatsanwalt Bernd Vogel erklärt derzeit lediglich, dass das Verfahren „kurz vor dem Abschluss“ stehe. Kurt Fischer rechnet bereits mit einer neuen Anklage wegen Nötigung, gibt sich aber recht gelassen. „Die sollen mal kommen“, sagt er. „Ihr Hauptzeuge hat sie schon mal hintergangen.“ Für das Gericht war der Detektiv „unglaubwürdig“.
Nun lassen sich Sachsens Ermittler offenbar erneut auf Kapelke ein, weil sie kaum anders können. Nicht auszudenken, wenn Fischer Recht behält. Dann hätten sich nicht nur das Landeskriminalamt und die Chemnitzer Staatsanwaltschaft geirrt, sondern auch zwei Landgerichte und ein Oberlandesgericht.
(Von Thomas Schade)