Sächsische Zeitung - Ausgabe Pirna, 26.08.2003
Pflaumenmus und Wahlkampf
Landtagsabgeordneter Karl Nolle referiert in Pirna über das SPD-Schulreformkonzept
PIRNA. Die junge Verkäuferin im Pirnaer Cafe Schreiber weiß nicht viel über die Gäste nebenan. „Ach so, Sie meinen die Leute von der SPD", sagt sie nach einigem Zögern, „die sitzen im Frühstücksraum." Dabei war der nicht zu übersehende Landtagsabgeordnete der Sozialdemokraten,
Karl Nolle, eigens nach Pirna gereist, um pünktlich zum Schulbeginn das neue Schulreformkonzept seiner Partei vorzustellen. Bei Delikatess-Pflaumenmus, Honig aus Kunststoffnäpfen, fingerdicken Leberwürstchen und Roggenbrötchen referierte - der schwergewichtige Genosse am Montag über Bildungspolitik, Schulkultur und Berufsausbildung mit Abitur. Es müsse wieder kleinere Klassen geben, sagt er, auch sollten jugendliche die Schule als demokratisch; mündige Bürger verlassen. Außerdem brauche man wieder selbstbewusste Lehrer, man wolle keine verängstigten Typen, sagt er weiter, während er ein weißes Vier-Minuten-Ei pellt.
Viele sind nicht gekommen zum Pressefrühstück in der Konditorei, um etwas über Reformen zu erfahren. Die sechs Parteifreunde vom Pirnaer SPD-Ortsverein am Nachbartisch debattieren zwar laut - aber über Geschichten von früher. Zuvor hatten sie in aller Frühe in der Lessing-Grundschule ABC-Schützen gelbe Luftballons mit rotem Partei-Logo nebst angehangenem Reformkonzept aufgedrängt - unterstützt von einem Clown.
Pirna hat Nolle dabei nicht zufällig ausgesucht. Er sei schließlich so etwas wie der Patenonkel der Pirnaer SPD, sagt er und drückt mit zwei Fingern die Leberwurst aus der Pelle auf sein Brötchen. Und wie Onkels so sind, sinniert er weiter, bringen sie gern mal was mit. Dieses Mal habe er eben etwas für die Kinder im Gepäck gehabt.
Durch das Wort „Patenonkel" verrät er aber, in wessen Sache er eigentlich in Pirna ist - in seiner eigenen. Der Auftritt in der Konditorei war so etwas wie Nolles ganz persönlicher Wahlkampfauftakt. Nein, er wolle nicht SPD-Landtagskandidat im Kreis Sächsische Schweiz werden, wehrt er ab und bestellt sich einen Milchkaffee. Es wäre zwar ein Ehre für ihn, gegen CDU-Mann Klaus Leroff anzutreten, meint Nolle, und er würde das auch wirklich gerne machen. Doch er habe ja seinen Wahlkreis in Dresden. Dann ist alles aufgegessen. Die Verkäuferin sagt zum Abschied nur leise „Tschüss" und verschwindet in der Backstube.
(Thomas Möckel)