Dresdner Morgenpost, 12.09.2003
“Scherbengericht“ oder „Ritterschlag“?
Neu im Landtag: Heute ist Karl Nolle dickes Thema
DRESDEN. Das gab's noch nie: Erstmals ist im Landtag ein Abgeordneter selbst Thema einer Debatte. Die CDU will heute über das Verhalten von SPD-Schwergewicht
Karl Nolle diskutieren.
Vor anderthalb Jahren verließen CDU-Abgeordnete den Saal, als Nolle ans Mikrofon trat. Heute müssen sie drinbleiben. Denn die CDU selbst hat den 3-Zentner-Mann auf die Tagesordnung gehievt. „Negative Auswirkungen der Kampagnen eines SPD-Landtagsabgeordneten auf Firmenansiedlungen im Kreis Stollberg" heißt der nebulöse Titel des Antrags, der heute als Erstes im Landtag debattiert wird. Doch jeder weiß, wer gemeint ist: Karl Nolle, 58, Druckereibesitzer, seit 1999 im Landtag und bekannt geworden als „Biedenkopfs dickstes Problem".
„Wir betreten mit dem Thema Neuland" gibt CDU-Fraktions-Chef Flitz Hähle zu. In der Fraktion war das Thema strittig. „Doch die Grenze ist überschritten. Der Landtag muss sich mit dem rücksichtslosen Verhalten des Kollegen beschäftigen." Worum geht es?
Nolle verdächtigt die Stadt Stollberg, Grundstücke zu Unrecht an VW und Siemens verkauft zu haben, machte die Vorwürfe auf einer Bürgerversammlung öffentlich. Die CDU sieht den Standort in Gefahr.
„Die Debatte ist standortschädigend", empört sich PDS-Fraktions-Chef Peter Porsch.
Und SPD-Kollege Thomas Jurk fragt: „Darf die Staatsregierung - so sie in die Debatte eingreift - über die Rechte und Pflichten eines Abgeordneten diskutieren?" Die SPD will deshalb heute eine Erklärung verlesen. Nolle selbst sieht die große Aufmerksamkeit als „Ritterschlag". Und der kommt ausgerechnet von der CDU.
(Stefan Locke)