Freie Presse Chemnitz, 22.09.2003
(K)eine Absage und neue Kaffeesatz-Leserei
Wolfgang Tiefensee weist auf Leipziger Parteitag Spekulationen über SPD-Spitzenkandidatur zurück
LEIPZIG. Tritt Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) 2004 als Spitzenkandidat seiner Partei zur Landtagswahl an oder nicht? Vor allem diese Frage beschäftigte die Delegierten des SPD-Sonderparteitages am Samstag in Leipzig. Zwar stand die Veranstaltung unter dem Thema Sachsen - ein starkes Stück Europa". Doch angesichts der anhaltenden Debatte um die landespolitischen Ambitionen des Leipziger Rathauschefs erwarteten die Genossen wenigstens ein kleines Zeichen. Das Signal aber blieb aus.
Tiefensee wies jede Spekulation zurück: „Ich bin nicht her gekommen, um diese oder jene Erwartung zu erfüllen". Die, die das erhofften, müsse er enttäuschen. Politik dürfe sich nicht in Personalfragen erschöpfen. Vor der Landes-SPD liege eine gewaltige praktische und programmatische Arbeit". Keiner wisse, wann das Tal der Tränen durchschritten sei, beschrieb Tiefensee die Lage seiner Partei im Freistaat Vor Journalisten wurde er noch deutlicher. Seiner Aussage von 2002, dass er 2005 als Leipzigs Oberbürgermeister wieder gewählt werden wolle, sei nichts hinzuzufügen.
Lediglich Kaffeesatz-Leser könnten nach der einen oder anderen Äußerung des Präsidenten des europäischen Städte-Netzwerkes Eurocities neu zur Tat schreiten. Wie zweideutig war Tiefensees Philosophen-Zitat, wonach der Mensch ,nicht ist, was er ist, sondern das, was er werden will"? Und dann noch dieser Satz des Umworbenen: “Man kann Menschen so motivieren, dass ungeahnte Kräfte freigesetzt werden können.” Doch das ist alles eine Sache der Auslegung.
Die Hoffnung jedenfalls, mit einem Frontmann Tiefensee im nächsten Jahr zu punkten beim Wahlvolk, ist nicht begraben. Der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle brachte es auf den Punkt. Manchmal sei es ein gutes Zeichen, sagte er an den “lieben Wolfgang" adressiert, mit dem Nachdenken noch nicht fertig geworden zu sein. Auch Fraktionschef Thomas Jurk blieb optimistisch. Nein, eine endgültige Absage sah Jurk in Tiefensees Augerangen nicht. Im April nächsten Jahres werde entschieden, wen die SPD gegen den CDU-Spitzenmann Georg Milbradt ins Rennen schickt.
“Wir haben es nicht nötig, vorab zu nominieren", erklärte Sachsen SPD-Chefin Constanze Krehl, “die Menschen sollen uns wählen für das, was wir tun und tun wollen". Im November 2003 würden die erste Bausteine das Wahlprogrammes der Sozialdemokraten vorgestellt.
Krehl, die in Leipzig von den Delegierten mit 78-prozentiger Mehrheit zur Spitzenkandidatin für die Europawahl 2004 gekürt wurde, warf in ihrer Rede der Dresdner Staatsregierung Versagen in der Europapolitik vor. Die Bevölkerung und die Wirtschaft seien nicht ausreichend auf die bevorstehende EUOsterweiterung vorbereitet.
Eurocities-Chef Tiefensee mahnte eine angepasste Förderpolitik im Inland und auf europäischer Ebene an. Eine nationale Anstrengung sei nötig, um die flächendeckende Strukturschwäche in Ostdeutschland aufzuheben. Damit trat er dem nordrhein-westfälischen SPD-Premier Peer Steinbrück entgegen, der eine Fördermittelkürzung für Ost-Städte zugunsten bedürftiger Westkommunen gefordert hatte.
(von Samira Sachse)