Karl Nolle, MdL

Vorwärts - SPD Zeitung, 08.10.2003

Wirtschaft muss Schule machen

Interview mit Karl Nolle
 
DRESDEN. Die SPD-Landtagsfraktion hat am 22. September im Rahmen ihrer Bildungskampagne eine Fachkonferenz zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Schulen durchgeführt. Ein Interview mit Karl Nolle, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion.

Dein Unternehmen hat auch in diesem Jahr fünf Lehrlinge eingestellt. Ist die Lehrlingsmisere so groß, wie oft zu lesen ist?

Wir hatten tatsächlich sehr viele Bewerber. Bei den Eignungstest mussten wir allerdings feststellen, das viele Bewerber nicht gut auf das Berufsleben vorbereitet sind. Von einem Text, der 93 falsche Wörter enthielt, haben gerade mal 20% der Bewerber knapp die Hälfte der falschen Wörter herausfinden können. Daran sieht man, die Ergebnisse des sächsischen Schulsystems sind schlecht und aus Sicht der Unternehmen völlig unzureichend.

Ist das der Grund, warum die Bildung eine so wichtige Rolle in der SPD-Mittelstandsinitiative spielt?

Dass viele Unternehmer das Gefühl haben, die Schulabgänger seien nicht ausreichend vorbereitet, ist das eine. Ich denke aber auch, dass das Bild, das in den Schulen vom Unternehmertum, von Selbständigkeit oder von Unternehmern gezeichnet wird, ein Zerrbild ist.

Welche Antwort bietet die SPD-Fraktion an?

Meiner Ansicht nach, brauchen wir ein Schulfach Wirtschaft. In einem solchen Rahmen müssen auch Unternehmer in die Schulen, genauso wie Schüler in die Unternehmen müssen. Aber auch die Lehrer müssen stärker mit Unternehmen zusammen arbeiten. Moderne Unternehmen brauchen Schüler, die selbständig handeln und denken können, die verantwortungsbewusste Problemlöser sind. Solche Werte müssen an unseren Schulen stärker in den Vordergrund geschoben werden. Wir brauchen aber auch eine bessere Wissensvermittlung von ökonomischen Zusammenhängen. Eine Studie hat herausgefunden, dass 74% der Schüler in Großbritannien mit Wirtschaftsbegriffen korrekt umgehen können. In Deutschland sind dies nur 45%. Wir haben da also einen erheblichen Nachholbedarf.

Das klingt ein bisschen danach, als wolle die SPD den alten polytechnischen Unterricht oder Fächer wie PA oder ESP wiederhaben?

Ein Bildungsgang „Berufsausbildung mit Fachabitur“ - vor allem für die technologieorientierten Berufe würden einen großen Beitrag leisten, um in Zukunft Fachkräfte- und Studienbewerbermangel in diesen Bereichen zu verhindern. Die SPD-Fraktion hat das bereits im Landtag beantragt. Die Landesregierung meint aber, wir brauchen das nicht. Der Wirtschaftsminister sollte besser mal mit Unternehmern und Verbänden sprechen. Die sehen den Bedarf nämlich sehr wohl. Vor allem gilt aber für unsere Schulen: Wirtschaft muss Schule machen.

Herausgeber: SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag Verantwortlich: Dr. Gisela Schwarz, MdL Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden.

Karl Nolle im Webseitentest
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