Freie Presse Chemnitz, 06.11.2003
In aller Freundschaft
Wie der Eigennutz den Gemeinsinn besiegt
KOMMENTAR VON DIETER SOIKA
Vom Altmeister der politischen Intrige und Korruption, Philipp der Zweite von Makedonien, ist die hübsche Weisheit überliefert: Ein mit Gold beladener Esel findet immer und überall Zugang.
Seit der Antike sind Vetternwirtschaft, Ämterkauf, Schmiergeld, politischer Betrug und Erpressung, Bestechung und Bestechlichkeit gang und gäbe. Korruption darf sich rühmen, das zweitälteste Gewerbe der Welt zu sein.
Das zweitälteste Gewerbe der Welt
Das lateinische „corrumpere“ besagt viel mehr als nur bestechen. Die Wortbedeutung umfasst auch verderben, zerstören, vernichten, zerrütten. Eine korrupte Gesellschaft ist somit eine Gesellschaft, die erst moralisch und dann ökonomisch zerfällt. Experten beziffern den volkswirtschaftlichen Schaden, den die Dunkelmänner anrichten, bereits mit 60 Milliarden Euro. Denn es geht längst nicht mehr nur um kleine Gefälligkeiten und Freundschaftsdienste.
An den Futtertrögen des Gemeinwesens herrscht unbeschreibliches Gedränge. Es tobt eine Schlacht wie am kalten Buffet. Um Diäten, Pensionen, Provisionen. Über allem weht eine Art olympischer Ungeist. Dabei sein ist alles. Dabei sein wollen viele. Und so wird auch aus dem sächsischen Traum von Olympia ein Albtraum. Es entsteht ein erschütterndes Lehrstück darüber, wie der Eigennutz den Gemeinsinn besiegt.
Vorhang auf, erster Akt: Die Kassen sind leer, Land und Kommunen so gut wie pleite. Nun bietet ein Gas-Unternehmen der klammen Stadt Riesa 2,5 Millionen Euro Sponsorengeld an, um dafür in der Riesaer Sporthalle zehn Jahre lang werben zu dürfen. Sporthalle und Gas-Firma schließen einen Vertrag. Anschließend reicht die Sporthalle 15 Prozent dieses Geldes, also 375.000 Euro, weiter. Und zwar als Provision an die Ehefrau des Oberbürgermeisters.
Zweiter Akt: Der Oberbürgermeister gibt sein Riesaer Amt auf und wird Staatssekretär in Dresden. Aus dem Wahlbeamten macht man dort einen Lebenszeitbeamten und aus seinen 6000 Euro Monatssalär werden 7500 Euro. Nach nur sechs Monaten geht das Gastspiel des früheren Bänkelsängers auf der Landesbühne abrupt zu Ende. Nun darf der 35-Jährige die nächsten 30 Jahre lang spazieren gehen und bekommt für sein Nichtstun insgesamt 830.000 Euro.
Dritter Akt: Die arme Stadt Leipzig unterstützt die alte Olympia-Gesellschaft mit rund einer Million Euro. 15 Prozent davon, also 150.000 Euro, zahlt die Olympia-Gesellschaft als Provision an eine Privatfirma aus.
Vierter Akt: Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ende offen.
Aus einem Lehrstück darf auch eine Lehre gezogen werden. Sie kann leider wieder nur lauten: Die Ehrlichen sind die Dummen.
(Dieter Soika)