DNN/LVZ, 20.11.2003
Partei soll entscheiden: Krehl und Jurk stellen sich Urwahl
Dresden. Für ihren kleinen Coup hatte sich Constanze Krehl einen ungewöhnlichen Ort ausgesucht. Gestern machte sich die SPD-Landeschefin am Rande des SPD-Bundesparteitags in Bochum dafür stark, die offene K-Frage der sächsischen Genossen per Urwahl zu bestimmen - und überraschte damit selbst die eigenen Delegierten. Denn nach dem Rückzug von SPD-Hoffnungsträger Wolfgang Tiefensee vor zweieinhalb Wochen hatte sie sich stets gegen einen solchen Basisakt ausgesprochen. Der Tenor bisher lautete: Die Vornominierung des Herausforderers von CDU-Chef Georg Milbradt möge Sache der Parteigremien sein.
Genau das war an der Basis auf einigen Widerstand gestoßen, und selbst führende SPD-Politiker wie Landrätin Petra Köpping sahen in einer Urwahl das adäquatere Prozedere. Hinzu kommt die Satzung. Danach reichen zehn Prozent der Mitglieder oder vier von zehn Unterbezirken, um eine Urwahl auf den Weg zu bringen. Nach interner Rechnung haben sich aber bereits sechs Vorstände - die der Unterbezirke Dresden, Pirna, Neiße, Nordsachsen, Erzgebirge sowie Zwickau - dafür ausgesprochen. Eine Urwahl ließ sich offensichtlich kaum mehr verhindern, Krehl blieb am Ende nur der Schritt in die Offensive.
Das hat viel mit dem Tauziehen in der SPD nach dem Tiefensee-Rückzug zu tun. Denn neben Krehl greift auch SPD-Fraktionschef Thomas Jurk nach der Spitzenkandidatur. Noch am Montagabend hatte es eine Krisensitzung in Bochum zwischen Krehl und Jurk gegeben - moderiert von Staatsminister Rolf Schwanitz. Das Ergebnis aber war ernüchternd, keiner wollte zurückziehen. Der nahende Zweikampf drohte die SPD zu zerreißen.
Nun ist das Prozedere klar. Insider aber geben Jurk bei der Urwahl größere Chancen. Die Entscheidung gestern sei "ein Punktsieg für Jurk", meinte ein Sozialdemokrat. Entsprechend freute sich der Fraktionschef gestern. "Ich bin hochzufrieden", sagte Jurk nach der Ankündigung von Krehl, die Befragung sei "der richtige Weg". Klarer argumentierte Jurk-Anhänger
Karl Nolle. Die Urwahl, meinte der Landtagsabgeordnete aus Dresden, sei "eine Sternstunde für die innerparteiliche Demokratie und Balsam für die gebeutelte SPD in Sachsen".
Beides ist bitter nötig. Seit dem Wahldebakel 1999 dümpeln die Genossen bei kaum mehr als zehn Prozent dahin, und der Rückzug von Tiefensee hat der SPD einen weiteren Schlag versetzt. Um gegen die Alleinregierung der CDU auch nur ansatzweise punkten zu können, soll von der Befragung nun ein Signal für die Zukunft ausgehen. Jurk: "Es geht nicht nur darum, den richtigen Kandidaten zu finden, es gelingt uns auf diesem Weg auch, die Parteibasis zu mobilisieren und für einen engagierten Wahlkampf zu gewinnen."
Dennoch scheint die Krise der sächsischen SPD damit nicht gelöst. Vor allem der geringe Bekanntheitsgrad der zwei Kandidaten macht den Genossen Sorgen. Entsprechend sollen sich nun bei-de zuvor auf mindestens drei Regionalkonferenzen vorstellen - publikumswirksam natürlich.
(von Jürgen Kochinke)