Frankfurter Rundschau, 21.11.2003
In Sachsen verteilt man die Felle vor der Jagd
Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2004 soll in einer Urwahl bestimmt werden
Constanze Krehl, die sächsische SPD-Landesvorsitzende, sollte recht behalten. "Ministerpräsident Georg Milbradt wird sich noch wundern, zu was die sächsische SPD fähig ist", hatte die Leipziger Europa-Abgeordnete vor zwei Wochen angekündigt.
Den Worten folgten schnell Taten: Wolfgang Tiefensee, der Leipziger Oberbürgermeister und SPD-Hoffnungsträger, gab im olympischen Durcheinander bekannt, er werde nicht für die Partei 2004 in den Wahlkampf ziehen. Woraufhin die 48-jährige Krehl sofort ihren Anspruch auf die Spitzenkandidatur anmeldete - und nicht nur auf die. Nach ihren Plänen soll SPD-Fraktionschef Thomas Jurk nach der Wahl für sie seinen Sessel freimachen. Was wiederum Jurk dazu bewog, auch seine Bereitschaft zur Spitzenkandidatur anzumelden.
Es war wie immer in der Zehn-Prozent-Partei: Man verteilte lange vor der Jagd die Felle. Am Mittwoch die überraschende Wende: Krehl verkündete, sie sei zu einer Urwahl bereit, nachdem sie das in der Woche zuvor noch strikt abgelehnt hatte.
Jetzt kommt alles anders, vielleicht auch deshalb, weil Krehl entdeckt hat, dass die Mehrheit der SPD-Unterbezirke in Sachsen die Urwahl will. Die rund 4500 Genossen im Freistaat dürfen also entscheiden, wer nächstes Jahr gegen Milbradt (CDU) verlieren darf. Nach den Resultaten der Landtagswahl 1999 beträgt der Unterschied zwischen CDU und SPD etwa 45 Prozentpunkte.
Krehl ist sich sicher, die Urwahl, vermutlich im Januar, zu gewinnen. Sachsen habe es verdient, sagte die resolute Dame wörtlich, dass eine Frau an die Spitze des Wahlkampfes gestellt werde.
Anfang der Woche hatte sich der SPD-Landtagsabgeordnete und DGB-Landesvorsitzende Hanjo Lucassen zu Wort gemeldet und vorgeschlagen, beide sollten auf eine Spitzenkandidatur verzichten und statt dessen mit anderen als Team gegen Milbradt antreten. Sonst zerfalle die SPD in zwei Lager. Und noch einen Vorschlag hatte Lucassen parat: Auf den Kanzler als Wahlhelfer verzichten.
(von Bernhard Honnigfort)