ND Neues Deutschland, 27.11.2003
Tarnvereinigung umgarnte die Bürger
Zeugen entkräfteten Wahlkampagnen-Vorwurf nicht
Ein Verein, der 1999 das Image von Sachsen fördern wollte, beging Etikettenschwindel. Erkenntnisse eines Untersuchungsausschusses bekräftigen den Verdacht der Wahlwerbung für die CDU-Regierung.
Viola Winkler war fassungslos. Werbebriefe, mit denen der von ihr geleitete, angeblich überparteiliche Unternehmerverein »Sachsen für Sachsen« im Wahljahr 1999 die Bürger zu Lobeshymnen auf den Freistaat animierte, wurden von der Staatskanzlei abgesegnet? »Das wusste ich nicht«, staunt die Geschäftsfrau. Die Opposition soll in einem Kampagnenkonzept als »Gegner« bezeichnet worden sein? »Das hätte ich nie unterschrieben«, beteuert Winkler. Der Vorzeige-Unternehmerin scheint zu dämmern, dass sie bei einem großen Etikettenschwindel mitgewirkt hat.
Als Wohlfühlkampagne für den Wirtschaftsstandort präsentierte sich »Sachsen für Sachsen« während seiner kurzen Lebensdauer zwischen Juli 1999 und dem »Tag der Sachsen« kurz vor der Landtagswahl im September. In Wahrheit habe es sich um Wahlwerbung für die CDU-Regierung gehandelt, die aus Steuergeldern finanziert wurde, sagt Ulf Rittinghaus, Ex-Chef der heute insolventen Zwickauer Sachsenring AG. Sein Unternehmen habe seinerzeit Hilfe der Regierung bei einer Firmenübernahme gebraucht. Im Gegenzug sei er zu der Kampagne gedrängt worden. Zur verdeckten Finanzierung seien Fördergelder um vier Millionen Mark aufgestockt worden.
Die CDU spricht von »Märchen«; der als Strippenzieher genannte Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer wehrt sich vor Gericht. Doch jüngste Erkenntnisse in einem Untersuchungsausschuss des Landtags erhärten die Vorwürfe. Der angebliche Verein »Sachsen für Sachsen« wurde weder förmlich gegründet noch eingetragen, sagt Winkler. Sie gibt zu, dass sie als »Geschäftsführerin« nicht berufen oder gewählt wurde, und weiß nicht einmal, auf welcher Grundlage das Spendenkonto eingerichtet wurde, für das sie warb. Die Pseudo-Chefin des Pseudo-Vereins dürfte es nun als glücklichen Umstand ansehen, dass praktisch keine Spenden eingingen.
Dass die »Tarnorganisation«, wie der PDS-Politiker André Hahn den Verein nennt, zur Wahlwerbung für die Regierung eingespannt wurde, offenbaren nicht nur die kuriose Idee einer Beteiligten, das Datum der Landtagswahl als Kontonummer zu wählen, oder der Umstand, dass eine Liste anzusprechender Unternehmen offenbar aus der CDU-Fraktion kam. Brisant ist vor allem, was Hans-Erich Bilges, Kopf der Beratungsfirma WMP und Konzeptentwickler von »Sachsen für Sachsen«, in einer firmeninternen Erklärung niederschrieb: Die Kampagne habe deutlich machen sollen, was »die Landesregierung in Sachsen« erreicht hat.
Die Aussage stammt vom 27. November 2002. Da waren Vorwürfe um indirekte Wahlwerbung für die CDU und ihre Regierung bereits öffentlich, Sorgfalt beim Formulieren also geboten. Bilges, der bei Zeitungen wie »Welt« und »Bild« gearbeitet hat, versuchte seine Worte zwar vor dem Ausschuss zu relativieren, ramponierte dabei aber sein Renommee. Er habe Landesregierung geschrieben und das Land gemeint, sagt er: »Das ist eine semantische Frage.« Der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle spricht von einem »Armutszeugnis«.
Bilges musste sich auch von seinem Konzept für die Kampagne distanzieren. Darin werden etwa »Schulungen über die dialektischen Künste der PDS« oder Diskussionsforen unter dem Titel »PDS fordert – Experten antworten« angeregt. In eine Leistungsbilanz im MDR-Fernsehen solle »durchaus Kritisches mit hinein«, und zwar »auch Kritik an der CDU. Das ganze wirkt dadurch nur glaubwürdiger.«
Bilges bestätigte, das Konzept geschrieben zu haben. Der hoch dotierte Experte wollte sich jedoch mit »unglücklichen« und »unscharfen« Formulierungen rausreden. Zudem sei bei Kampagnen nicht das Konzept wichtig, sondern »was hinten rauskommt«. Auch diese Behauptung kontert Nolle: Jeder Werbefachmann wisse, dass »der äußere Schein nicht immer der innere Kern ist«.
(Von Hendrik Lasch)