Karl Nolle, MdL

Handelsblatt, 29.12.2003

Wer kennt Frau Krehl und Herrn Jurk?

Ein Führungsstreit lähmt Sachsens 10 - Prozent - SPD
 
LEIPZIG HANDELSBLATT, 29.12.2003 - Eigentlich kann es nur aufwärts gehen für die sächsische SPD: Viel tiefer als 1999, wo die Sozialdemokratie ein Ergebnis von 10,7 Prozent einfuhr, kann man doch nicht mehr sinken. Sollte man meinen: Im September stehen in Sachsen wieder Landtagswahlen bevor, Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) muss sich erstmals dem Wählervotum stellen. Und was macht die SPD? Sie geht ohne Spitzenkandidaten ins Wahljahr und leistet sich stattdessen einen ebenso langwierigen wie lähmenden Führungsstreit zwischen Parteichefin Constanze Krehl und Fraktionschef Thomas Jurk. Schon gilt nicht mehr als ausgeschlossen, dass die Partei des Bundeskanzlers im September an Saale und Elbe einstellig abschneidet.

Angefangen hatte alles an jenem Montag Mittag des 3. November 2003: Wolfgang Tiefensee ließ die Genossen per Telefon wissen, er werde definitiv nicht als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 19. September 2004 antreten. Die Erwartung, mit dem prominenten Leipziger Oberbürgermeister an der Spitze das Wahlergebnis verdoppeln oder gar verdreifachen zu können, verpuffte jäh.

Doch statt in der Krise zusammenzurücken, brachen die alten Fehden in der SPD offen aus. Da Krehl und Jurk beide kandidieren wollen, wird nun die Basis an die Urnen gerufen. In einem Mitgliederentscheid am 1. Februar sollen Sachsens Genossen über die K-Frage abstimmen. Dabei offenbart sich eine weitere Schwäche der SPD: Mit nur knapp 4800 Mitgliedern fehlt es der nach der Wende im Osten neu gegründeten Partei an Rückhalt.

Jurk und Krehl sind beide keine Charismatiker und haben mit einem niedrigen Bekanntheitsgrad zu kämpfen. Die mächtige sächsische Union hält auch mit Biedenkopf- Nachfolger Milbradt Umfragewerte von über 50 Prozent, und die PDS liegt mit ihrer wortwitzigen Führungsfigur Peter Porsch kontinuierlich bei über 20 Prozent.

Das verstärkt die Sorge, dass viele Genossen den Urnen fern bleiben, zumal manche nicht viel von dem Spektakel halten. Es handele sich um einen "unehrlichen Machtkampf", mit der sich die SPD lächerlich mache; beide Konkurrenten seien nicht die "riesigen Zugpferde, die in Sachsen den Bock umstoßen", schrieben Ortsvereine an ihre Führungskader.

Manche Funktionäre wünschen sich statt dessen eine Doppelspitze mit dem oftmals gescheiten Redner Jurk auf dem ersten Rang. Noch vor dem Urwahl-Termin wollen sich Krehl und Jurk den Unterbezirken in acht eigens einberufenen Regionalkonferenzen stellen. Dabei werden sie sich als Team präsentieren, obwohl alles andere als Freundschaft ihre Beziehung prägt. Beide stehen zwar für ähnliche landespolitische Ziele. Doch setzt die Leipzigerin Krehl, 47 Jahre alt und zu DDR-Zeiten Informatikerin, strategisch eher auf eine Beteiligung in einer Großen Koalition, während es der 41-jährige gelernte Funkmechaniker Jurk aus der Oberlausitz mit härterem Oppositionskurs und Annäherung zur PDS versuchen würde. Zudem trennt sie ihr bisheriges politisches Betätigungsfeld: Krehl war 1990 kurzzeitig Volkskammer- und Bundestags-Abgeordnete und hat seit 1994 ihren Platz im Europa-Parlament, Jurk dagegen sitzt seit 1990 im Landtag und ist vor allem in den Dresdner Debatten zuhaus.

Sachsens SPD mangelt es allerdings nicht nur an prominenten Führungspersönlichkeiten. Mit dem sanften Kurs zum Ex-Regenten Biedenkopf und einer harten Abgrenzung gegen die oppositionelle PDS geriet die Partei zwischen die Mühlräder der beiden Kontrahenten. Zwar wird intern auf Stimmgewinne gehofft. Doch fürchten Beobachter, dass die Partei ohne Tiefensee noch weiter in die politische Bedeutungslosigkeit abrutscht.
(von Sven Heitkamp)

Karl Nolle im Webseitentest
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