Karl Nolle, MdL

Leipziger Volkszeitung LVZ, online 0.30 Uhr, 09.01.2004

Bittere Pille für Krehl - SPD tagt zur Urwahl

 
Dresden. Angespannte Atmosphäre im Dresdner "Artotel": Zerknittert treffen die Vorständler im Dutzend in der Hotelhalle ein. Überall liegen die Nerven blank. Nahezu wortlos geht Staatsminister Rolf Schwanitz in den Sitzungssaal in der ersten Etage, ein paar Minuten später trifft SPD-Landeschefin Constanze Krehl ein. Kurzes Händeschütteln, die Krisensitzung beginnt.

Für Sorgenfalten hat die SPD allen Grund. Heftig haben die Verwerfungen der vergangenen Tage am Selbstbild der Zehn-Prozent-Partei genagt. Und nun soll der Vorstand jenen Beschluss kippen, den er zähneknirschend erst wenige Wochen zuvor beschlossen hatte: die Urwahl als Akt der Selbstreinigung mit dem Ziel, den Zweikampf zwischen der SPD-Chefin und Fraktionschef Thomas Jurk zu beenden.

Genau dies aber ist Inhalt einer Kompromisslinie, die Krehl und Jurk am Montagabend gemeinsam mit Ex-SPD-Chef Karl-Heinz Kunckel ausgehandelt haben.

Die Kernpunkte lauten:

- die Urwahl wird abgesagt;

- formal gibt es eine "Doppellösung" mit Krehl und Jurk an der Spitze;

- trotz dieser "Gleichrangigkeit" erhält Jurk Platz 1;

- Krehl muss sich mit Platz 2 begnügen, bleibt aber Landeschefin;

- beide stellen gemeinsam die Kandidatenliste für den Landtagswahlkampf auf;
auf den vorderen Listenplätzen gilt das Prinzip: Kompetenz geht vor Regionalinteressen;

- der umstrittene MDR-Sprecher Ronald Lässig erhält keinen Listenplatz auf SPD-Ticket;

- keine Einschränkungen bei möglichen Koalitionen, vor allem keine Ausgrenzung der PDS.

Damit hätte sich die SPD auf einen Dreikampf in Sachsen eingestimmt: Jurk tritt als Spitzenkandidat gegen CDU-Regierungschef Georg Milbradt und PDS-Fraktionschef Peter Porsch an. Hinzu kämen Antje Hermenau für die Grünen sowie Holger Zastrow als FDP-Mann.

Für Krehl wäre das eine bittere Pille. "Es ist eine milde Form der Demontage", sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle gestern, und zusammen mit Juso-Chef Martin Dulig nimmt er bereits das böse Wort von den "ehrlichen Konsequenzen" in den Mund - Rücktritt als Landeschefin. Bis gestern Abend war von all dem jedoch offiziell noch nicht die Rede. Der Vorstand tagte zu Redaktionsschluss noch zu den einzelnen Punkten.
(Jürgen Kochinke)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: