Freie Presse Chemnitz, 14.01.2004
Selbstzerfleischung: Sachsens SPD hat sich als politische Alternative verabschiedet
Kommentar von Hubert Kemper
Wie es der SPD geht? Nichts könnte den Zustand treffender beschreiben als die Gefühlsregung, die Politiker oder Spitzenbeamte mit CDU-Parteibuch in diesen Tagen überkommt. Sie heucheln Mitleid, beklagen den bejammernswerten Zustand einer einstmals starken Oppositionskraft und freuen sich darüber, dass die nächste Wiederwahl eine Formsache zu werden verspricht.
Arme SPD? Das Mitgefühl richtet sich an die falsche Adresse. Leidtragende des Siechtums der zur regionalen Splittergruppe dezimierten Volkspartei sind die Bürger dieses Landes. Sie hätten es verdient, zur gelegentlich von der Dauermacht-Ausübung gesättigt wirkende CDU eine kraftvolle Opposition vorzufinden. Wenn Demokratie nicht allein vom Wechsel lebt, dann von Alternativen, die personell und inhaltlich Verbesserungen versprechen.
Diese Erwartung hat die SPD mit ihrem Trauerspiel um die Spitzenkandidatur zunichte gemacht Als sei sie, das Schlusslicht der deutschen Sozialdemokratie tragend, nicht ausreichend gebrandmarkt, setzen einige Funktionäre die Selbstzerfleischung fort.
Fette Beute versprechen sie sich in Form eines besonders aktiven Genossen. Geht es nach Parteichefin Constanze Krehl und ihres Mentors Gunther Weißgerber, dann hat der Genosse "Chefaufklärer" seine erste und letzte Wahlperiode im Landtag absolviert.
Karl Nolle stört die Friedhofsruhe in der Partei. Der bienenfleißige Unternehmer Und Hobby-Kriminalist gilt als unberechenbar. Die Angst, dass er Krehl kippen und ihm damit auch den Zugriff auf die Landesliste nehmen könnte, ließ Weißgerber offenbar auch einen warnenden Brandbrief an seine Leipziger Gefolgschaft schreiben.
"Vorsicht Nolle" hätte er überschrieben sein können. Dabei ist die Stimmung eher gefährlich für den einzigen sächsischen Sozi, der bisher die Regierung ins Schleudern bringen konnte.
Jüngst, im Parteirat, wirkte Nolle, der Manipulationen eines Krehl Vertrauten gegen Fraktionschef Jurk angeprangert hatte, isoliert.
Sachsens SPD ist mit Grabenkämpfen um die Absicherung einträglicher Parlamentsmandate neutralisiert. Und die PDS? Immerhin ist sie mit Abstand stärkste Oppositionskraft im Landtag. Das dürfte sie ohne Anstrengung bleiben. Mehr aber bitte nicht, hoffen inständig selbst PDS-Aktivisten. Schließlich kennen die Grenzen ihres Personals am besten