Agenturen ddp-lsc, 18:23 Uhr, 16.01.2004
MDR trennt sich von Lässig - Nachrichensprecher will vor Gericht ziehen
Leipzig (ddp-lsc). Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) trennt sich von seinem Nachrichtensprecher Ronald Lässig. Nach dem Versenden einer verfälschten Meldung der Nachrichtenagentur ddp an mehrere SPD-Mitglieder vom Computer Lässigs in der MDR-Nachrichtenredaktion sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gegeben, teilte der Sender am Freitag in Leipzig mit. In einem Gespräch am Vormittag sei keine gütliche Einigung erzielt worden. Lässig tritt zur Landtagswahl im September als SPD-Direktkandidat an. Sein Anwalt kündigte noch am Abend rechtliche Schritte gegen die Kündigung an.
Von Lässigs MDR-Computer aus war am 6. Januar eine gefälschte Fassung eines Interviews mit SPD-Fraktionschef Thomas Jurk in Umlauf gebracht worden. Lässig bestritt, Absender der Nachricht zu sein, und erklärte, ein Fremder habe seinen Computer dazu missbraucht. Der MDR suspendierte ihn daraufhin zunächst vom Dienst. Lässig gilt als Vertrauter von SPD-Parteichefin Constanze Krehl, die mit Fraktionschef Jurk erfolglos um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl gerungen hatte. Die Fälschungen in dem Interview bezogen sich unter anderem auf Aussagen Jurks zu einer möglichen Koalition mit der PDS.
Nach MDR-Angaben wurden die Vorgänge vom 6. Januar intensiv untersucht. Dabei habe sich herausgestellt, dass Lässig in erheblichem Umfang seinen Dienstcomputer für nichtdienstliche Zwecke missbraucht habe. Auch habe Lässig seine Version, wonach Dritte die verfälschten Meldungen von seinem Computer verschickt hätten, um ihm zu schaden, nicht glaubhaft machen können. «Auf dieser Basis kann ich auch den anderen Mitarbeitern der Nachrichtenredaktion eine Zusammenarbeit mit Herrn Lässig nicht mehr zumuten», sagte Wolfgang Kenntemich, Chefredakteur MDR Fernsehen. Lässig habe in dem Gespräch nicht zur Aufklärung beigetragen und mit seiner ablehnenden Haltung auch den Versuch einer gütlichen Einigung verhindert.
Lässigs Rechtsanwalt Ulrich G. Keßler wiederum warf dem Sender fehlende Gesprächsbereitschaft vor. «Wir werden die Kündigung vor dem Arbeitsgericht angreifen», sagte er auf ddp-Anfrage. Zunächst gelte die Unschuldsvermutung. Es fehle der Nachweis, dass die E-Mails von Lässig stammen. Zudem sei beim MDR generell das Versenden privater Mails zugelassen. Auch bezweifelt Keßler, dass Lässig, wie beim MDR geschehen, als freier Mitarbeiter einzustufen sei.
ddp/kfr/gkw
161823 Jan 04