Sächsische Zeitung, Seite 4, 05.02.2004
Untersuchungsausschuss: Die Folgen einer großen Freundschaft
Sächsischer Landtag debattiert heute abschließend über Biedenkopfs Rolle beim Behördenzentrum Paunsdorf
Fast 109 Sitzungsstunden, sechs Zeugen, die beiden wichtigsten Politiker Sachsens, Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt, als Betroffene, und ein 1574 Seiten langer Abschlussbericht - das sind die Zahlen des Paunsdorf-Untersuchungsausschusses. Nach fast vier Jahren will er heute seine Arbeit beenden.
Die entscheidende Frage - ob die Anmietung des Behördenzentrums (BHZ) Paunsdorf 1993 ein AmigoGeschäft zwischen Ex-Premier Biedenkopf und seinem Duzfreund Heinz Barth zum Nachteil des Freistaates war - wird dabei höchst kontrovers beantwortet. So kommt die Ausschussmehrheit der Union in ihrer elfseitigen Bewertung zu dem Schluss, dass Kurt Biedenkopf lediglich „aktiv auf die zügige Realisierung" des BHZ Paunsdorf „hingewirkt" habe. Die Freundschaft zwischen Investor und Ministerpräsident habe nur zu einer etwas größeren Kommunikation" geführt, „als dies sonst üblicherweise der Fall war". Sachsen sei kein Schaden entstanden, Auch Biedenkopf und Milbradt bestreiten die Vorwürfe.
PDS und SPD kommen dagegen zu ganz anderen Ergebnissen. Auf 39 Seiten spricht die PDS von der „bislang größten bekannt geworden Verschwendung von Steuermitteln" in Sachsen, bei der ein Schaden zwischen 118,2 und 138 Millionen Euro entstanden sei. Hauptnutznießer sei Biedenkopf-Freund Barth gewesen. Für die SPD hat die Beweisaufnahme „eine unglaubliche Verkettung von privaten Interessen des Investors mit den führenden Politikern" Sachsens offenbart.
Nach verschiedenen Strafanzeigen waren parallel Polizei und Staatsanwaltschaften mit dem Fall beschäftigt. Zuletzt hatte die Dresdner Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachtes der Untreue gegen die beiden Spitzenpolitiker eingestellt. Begründung: alles verjährt.
Strafverdacht noch offen
Offenbar zu früh. Zu diesem Schluss kommt der Dresdner Strafrechtler Prof. Dr. Knut Amelung. Der Rechtswissenschaftler hat den Lehrstuhl für Strafrecht an der juristischen Fakultät der TU Dresden inne. Er analysierte die Begründung. Nach Ansicht des Strafrechtlers ist der Fall keineswegs verjährt. „Es wurde eine Argumentation gewählt, die nicht dem aktuellen Stand der Rechtssprechung entstammt", sagt Professor Amelung. Feststellungen des Bundesgerichtshofes seien nur an den Stellen bemüht worden, an denen sie eine Verjährung stützten. Für den Beginn der Verjährungsfrist komme es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die Mietverträge für Paunsdorf geschlossen wurden, sondern auf den Zeitpunkt, an dem der finanzielle Nachteil für den Freistaat in voller Höhe eingetreten ist. Da Sachsen bis heute Miete zahle, könne von Verjährung keine Rede sein, so der Strafrechtler der TU Dresden.
Mittlerweile beschweren sich die Anzeigeerstatter darüber, dass der Fall zu den Akten soll. Außerdem ist offen, ob Akteure bei dem Paunsdorf-Geschäft auch Steuerdelikte begingen. Die Staatsanwaltschaften Dresden und Leipzig schoben die heikle Frage hin und her. Zur Zeit prüfe man in Dresden, bestätigt Staatsanwalt Andreas Feron auf Anfrage.
(von Thomas Schade)
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Hinweis von
Karl Nolle zum Thema siehe auch meinen vollständigen Text unter Pressemitteilungen vom 16.12.2003:
Untreuehandlungen bei Amigogeschäft Paunsdorf laut neuer Rechtssprechung des BGH nicht verjährt.
NOLLE: „Die Staatsanwaltschaft muß nun gegen Biedenkopf und Milbradt wegen Untreue ermitteln. Der Strafverfolgung steht Verjährung nicht entgegen.“
NOLLE: „Ich appelliert an den Generalstaatsanwalt, nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden.“
NOLLE: „Der Generalstaatsanwalt steht im Dienste des Rechts, nicht einer Regierung und schon gar nicht einer Partei, auch wenn ihm die Stellung als weisungsgebundener Beamter diese Position nicht erleichtert.“
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(siehe vollständigen Textunter Pressemitteilungen vom 16.12.2003)