Freie Presse Chemnitz, 07.02.2004
Das Ministerium schlägt zurück
Wie SPD-Aufklärer Nolle eine Kampagne gegen Kritiker an der Polizeiführung auslöst
Dresden. Die Vorwürfe lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Von einem Rachefeldzug" ist die Rede. Die Urheber werden in den höchsten Rängen das Sächsischen Innemninisteriums vermutet: Minister Horst Rasch, sein Amtschef Dr. Dr. Michael Antoni und dessen Landespolizeipräsident Eberhard Pilz. Betroffen fühlen sich Bedienstete, die zu den heftigsten Kritikern von Auswirkungen der Polizeireform zählen: Gerd Ley, Leitender Polizeidirektor und Chef der Landespolizeischule Bautzen und zwei seiner leitenden Mitarbeiter. Deren Mitgliedschaft in einem Verein, der als "Förderkreis Demokratie und Innere Sicherheit e.V." firmiert, diene als Hebel, um die berufliche Karriere zu beenden, mutmaßt der Anwalt der Polizisten. Bei seinem Versuch, seine Mandanten vor Repressalien zu schützen, stoße er auf eine Mauer der Untätigkeit, sagt Mark Hirschmann.
Sieben Fragen bei Initiatoren des Vereins gelandet
Mit 30 Kleinen Anfragen hatte der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle die Aktion ins Rollen gebracht. Missstände bei der sächsischen Polizei am Beispiel unzulässiger Einflussnahme privater Netzwerke auf die polizeiliche Führungsstrukturen unter den Augen des Innenministers" hatte der selbst ernannte »Chefaufklärer" seine Fragen überschrieben. Ob der FDS mit Geldern des US-Generalkonsulats in Leipzig unterstützt werde und ob er Mittel des Freistaates in Anspruch nehme, lauteten einige der Fragen. Nur sieben landeten zur Beantwortung bei den Initiatoren des Vereins in Bautzen, darunter die, ob sichergestellt sei, dass der FDS nicht die Infrastruktur der Landespolizeischule nutze. Die Antwort lautete „ja".
„Falsch" heißt es dazu inzwischen aus der Zentrale der sächsischen Regierungsmacht Für den vermeintlichen „Skandal" interessieren sich längst Staatskanzleichef Tillich und Ministerpräsident Milbradt. Die Unterlagen, die die Antwort widerlegen sollen, lieferte ihnen wiederum SPD-Nolle. „Ich habe Teile des Materials weitergegeben", sagt er.
Aus welcher Quelle er seine Informationen bezieht, liegt für Anwalt Hirschmann nahe. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Innenministerium an Nolle lanciert", mutmaßt der Jurist. Er spricht von einer Kampagne, die jene Leute mundtot machen soll, die im Rahmen der Polizeireform für die weitere Anbindung des Fort- und Ausbildungszentrums der Polizei an die Landespolizeischule eingetreten waren. Landespolizeipräsident Eberhard Pilz hatte sich mit seiner Konzeption, die Zuständigkeit der Bereitschaftspolizei zuzuweisen durchgesetzt.
Hirschmann wirft Pilz vor, seiner Fürsorgepflicht für die öffentlich in Verdacht geratenen Mitarbeiter nicht zu entsprechen. Etliche schriftliche Aufforderungen an das Innenministerium, sich schützend vor die Mitarbeiter zu stellen, blieben unbeantwortet.
Computer von verdächtigten Polizisten beschlagnahmt
Der Apparat schlug stattdessen massiv zu: Ein Mitarbeiter des Finanzministeriums und ein weiterer des Landeskriminalamtes beschlagnahmten vor wenigen Tagen Computer der in Verdacht geratenen Polizisten. "Rechtlich im höchsten Maße bedenklich", bezeichnet Hirschmann die Razzia, denn die Festplatte enthielt auch persönliche Daten. Absurd sei der Vorwurf, Computer der Polizeischule für Vereinszwecke genutzt zu haben. Einzige Ausnahmen: Mitgliederlisten und Einladungsverzeichnisse. Von der Schwere seiner Vorwürfe scheint Aufklärer Nolle inzwischen auch nicht mehr recht überzeugt zu sein, Es könne sich "möglicherweise um einen Einschüchterungsversuch" handeln.
Anwalt nennt Nachforschungen „klassisches Mobbing"
Davor sind die bedrängten Polizisten in Bautzen aber längst nicht mehr gefeit. „Klassisches Mobbing" nennt Anwalt Hirschmann Nachforschungen in der beruflichen Vergangenheit und Befragungen früherer Lehrgangsteilnehmer. Der neue Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hat den Fall auf dem Tisch, Mitglieder des Innenausschusses sind informiert. Doch im Wahljahr 2004 haben CDU-Fraktion und Regierung die Reihen dicht geschlossen, fraktionsinterne Kritiker bekommen das zu spüren. Einen weiteren Besuch von Ermittlern aus dem Innenministerium glaubt Anwalt Hirschmann durch ein Fax an Staatskanzleichef Tillich abgewehrt zu haben. Nach seinen Information habe das Innenministerium dem MDR „action" versprochen und auf einen Termin in Bautzen aufmerksam gemacht. Im Ministerium wird das dementiert und das Interesse dem MDR zugesprochen.
Es gehe darum, den Sachverhalt aufzuklären, rechtfertigte Innenminister Horst Rasch das Vorgehen gegen seine Polizisten. Allerdings sei er in Sorge, dass die Arbeit des Vereins in Misskredit gerate. Also keine Revanche an den Leuten, die dem Landespolizeipräsidenten mit ihrer Kritik in die Quere kamen? - „Sie
sollen beruflich tot gemacht werden", ahnt Anwalt Hirschmann. Nach seiner Erfahrung wäre es nicht der erste Fall, an dem für Kritiker des großen Apparates ein Exempel statuiert werden soll.
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Anmerkung von Karl Nolle: Eine Reihe meiner Kleinen Anfragen sind falsch oder unvollständig beantwortet worden. Dabei hatte entweder Innenminister Horst Rasch selbst gelogen oder seine Mitarbeiter haben ihn belogen, was mit Dokumenten des Vereines FDS gezeigt werden kann. Auf dienstliche Folgen von nicht wahrheitgemäßen Anworten auf parlamentarische Anfragen hat der Frager keinen Einfluß. Allerdings überrascht die Kaltschnäuzigkeit mit der in der SZ vom 19.01.04 die angesprochener Verantwortlicher des FDS anworteten:
Den FDS gibt es seit etwa sieben Jahren. Am Anfang gehörte Innenstaatssekretär Hartmut Ulbricht (CDU) zum Vereinsbeirat. Einer der Mitgründer ist Michael Hauck, ein leitender Mitarbeiter der Landespolizeischule. Derzeit wird Klaus-Peter Reidl im Vereinsregister des Bautzner Amtsgerichts als Vereinsvorsitzender geführt. Eine Telefonnummer oder eine Anschrift des Vereins sei auf der Karteikarte des Registers nicht verzeichnet, so die amtliche Auskunft. Reidl ist Angestellter der Schule. Schulleiter Gerd Ley ist seinerseits Mitglied im Verein, ebenso sein Stellvertreter Gerhard Burkhard.
„Wenn etwas sauber ist, dann ist es der FDS“
Burkhard reagierte gelassen auf die Untersuchung des Innenministeriums. An den Vorwürfen sei nichts dran, sagte er der SZ. Alle Angestellten der Schule seien lediglich ehrenamtlich als Referenten für den FDS tätig. Der Verein müsse wie andere Nutzer auch zahlen, wenn er Veranstaltungen in der Schule durchführe. Die Schule habe sofort alle Fragen aus Dresden beantwortet und die notwendigen Unterlagen übermittelt. Burghard bestätigte, dass der FDS durchaus meinungsbildend in der Polizei und nach außen wirken wolle und gegründet wurde, um die Bürgernähe zwischen der Schule und den Einwohnern der Region zu intensivieren. „Wenn etwas sauber ist, dann ist es der FDS“, so Burkhard.
Die Ansicht wird im Innenministerium offenbar nicht ganz geteilt. Wie zu hören ist, werfen die Informationen der Bautzner Schule neue Fragen auf. Deshalb werde derzeit geprüft, ob disziplinarische Ermittlungen einzuleiten sind.