WELT, 26.02.2004
Banken-Affäre erreicht Milbradt
Ex-Oberkontrolleur war umfassend über Missstände in der SachsenLB informiert
Dresden/Leipzig - Der frühere Verwaltungsratschef der SachsenLB und heutige Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) war umfassend über die Zustände in der Bank informiert. Das geht aus dieser Zeitung vorliegenden Schreiben der renommierten Arbeitsrechtskanzlei Weber & Partner an Milbradt hervor.
Die Sozietät vertrat einen offenbar zu Unrecht fristlos gekündigten Bankdirektor. Der folgende Rechtsstreit wurde mit einem Vergleich beendet. Der Anwalt des Managers sagte der WELT: "Wir haben Herrn Milbradt mehrfach auf Missstände in der SachsenLB aufmerksam gemacht, die über den konkreten Fall hinausgingen."
Die Reaktion auf die Hinweise sei dürftig ausgefallen. Der Anwalt: "Ich konnte auch nicht erkennen, dass Missstände abgestellt wurden." Milbradt war von der Gründung der Landesbank Anfang der neunziger Jahre bis zu seiner Entlassung als sächsischer Finanzminister durch den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) Chef des Kontrollgremiums der SachsenLB. Die Briefe der Kanzlei an Milbradt benennen deutlich fragwürdige Zustände. Angesprochen werden Mobbing, Eingriffe in die Privatsphäre von Beschäftigten und die Verbreitung ehrenrühriger Gerüchte.
In die Ägide des Kontrolleurs Milbradt fällt auch die Berufung von Andrea Braun zur Personalchefin der Bank. Die Lebensgefährtin des Vorstandschefs Michael Weiss hat nach übereinstimmenden Angaben von Bankangestellten ihre Mitarbeiter dazu aufgefordert, vertrauliche Dossiers über Kollegen anzulegen. Später wurde Braun zum Vorstand der Konzerngesellschaft MDL Mitteldeutsche Leasing AG berufen. Angesichts der Personalpolitik - die SachsenLB verschliss laut unwidersprochenen Berichten in den vergangenen fünf Jahren 50 Führungskräfte - erreichten Milbradt mehrfach Beschwerden, die wegen der Zustände im Haus anonym blieben. Dazu sagte Milbradts Sprecher der WELT: "Solche Briefe landen im Papierkorb."
Unterdessen hat sich die Führungsriege der Bank gegen weitere Vorwürfe verteidigt. Vorstandschef Weiss beklagte das "inquisitorische Recherchepotenzial" der Medien. Entgegen Veröffentlichungen auch in dieser Zeitung habe er mit der Anschaffung seines Dienstwagens nicht gegen geltende Vorschriften verstoßen. Für die vier Vorstände bestünden bei der Wahl des Fahrzeugs sowie der privaten Nutzung der drei Vorstandsfahrer ("das ist nicht gerade viel") keine Obergrenzen.
Weiss war in die Kritik geraten, weil er einen rund 140 000 Euro teuren Mercedes-Benz "S 600, langer Radstand" fährt. Eine Umfrage der WELT zeigt, dass die Chefs anderer Landesbanken deutlich preisgünstigere Dienstwagen fahren. Weiss räumte "im Nachhinein" ein, dass er hier das nötige Fingerspitzengefühl habe vermissen lassen.
Die Bank vermeldet für 2003 einen deutlichen Anstieg des Betriebsergebnisses vor Steuern. Es stieg von 12,2 Mio. Euro im Vorjahr auf 45 Mio. Euro. Der Jahresüberschuss nach Steuern erhöhte sich auf 35 (2002: 30) Mio. Euro. Allerdings macht der SachsenLB das schlechte Rating nach Wegfall der Gewährträgerhaftung zu schaffen. Agenturen stellen ein BBB+ in Aussicht. Damit würden die Refinanzierungskosten steigen. Weiss: "Das engt die Operationsbasis ein." Diskutiert werde eine Kapitalerhöhung, die der Freistaat und die sächsischen Sparkassen als hälftige Eigentümer fordern würden.
(von Uwe Müller)