Sächsische Zeitung am Sonntag, 29.02.2004
Mit weißer Weste
Bankaffäre. Michael Weiss, der Vorstandsvorsitzende der SachsenLB, ist höchst umstritten. Er aber fühlt sich im Recht.
Ein Mann wie ein Bankgeheimnis. Doch plötzlich steht Dr. Michael Weiss im Fokus der Öffentlichkeit und muss sich gegen Vorwürfe wehren.
Deshalb zieht der 58-Jährige sich zurück. Fliegt nicht mit Ministerpräsident Milbradt nach Amerika. Weiss ist beschäftigt Er arbeitet an seiner Stellungnahme vor dem Finanzausschuss des Landtages am 3. März. Es geht um zu große Autos, Vetternwirtschaft und Bespitzelung.
Äußerlich gehört er zu den Leuten, auf die man nicht aufmerksam wird, denen man sein Geld anvertraut und hofft, dass es gut aufgehoben ist. Warum man das Weiss hofft? Er ist Banker.
Der erste Banker des Freistaates. Eloquent, diskret und erfolgreich. Männer wie er tragen Anzüge in gedeckten Farben und machen gleichmäßig ansteigend Karriere: Volkswirtschaftsstudium in Bonn, mit 27 wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Sachverständigenkommission der Bundesregierung unter Brandt, vier Jahre später Dissertation. 1976 Referent des Verwaltungsratvorsitzenden der West LB in Düsseldorf und verantwortlich für das „Kreditgeschäft mit besonderer Verantwortung". Vor seinem Amtsantritt als oberster Sachsen-Banker 1992 in Leipzig war er vier Jahre bei der Wohnungsbaukreditanstalt in Berlin, auch hier in leitender Stellung. Seit Oktober 2003 soll er als Vorsitzender der Sachsen-Finanzgruppe im Auftrag der Staatsregierung auch das öffentlich-rechtliche Bankenlager zusammenbringen. An so einem prallen Vorwürfe äußerlich ab.
Wenig Gespür für die Stimmung
Kürzlich gab es eine Pressekonferenz. Bei Käsespießchen und Obstsalat sollte eigentlich über das erfolgreiche Geschäftsjahr 2003 geredet werden. Dumm nur, dass sich die wenigsten dafür interessierten. Die meisten Journalisten wollten Auskunft über aktuelle Anschuldigungen. Wenn Weiss dann auf allzu bohrende Fragesteller trifft, wird er schon mal ironisch oder nimmt die Frager Maß. Oder er lässt andere reden, kaut derweil auf seiner Lesebrille, sitzt betont entspannt zurückgelehnt.
Die Frau, das Auto, die Bank - er versteht die ganze Aufregung kaum. Was hat seine Beziehung zu Ex-Personalchefin Andrea Braun mit deren Karriere zu tun? Allein die Kompetenz habe sie aufsteigen lassen. Erst in der Bank, dann im Tochterunternehmen MDL. Warum soll er nicht eine S-Klasse und einen Chauffeur haben, der ihn auch privat durch die Gegend fährt? Er arbeite hart und es könne rechtlich sogar ein Ferrari sein oder ein Maybach. Das sagt er. Die Vorwürfe sind für ihn schwer nachvollziehbar. Alles in bester Ordnung?
Es gibt andere Stimmen. Der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle nennt das Vorgehen einfach „Nebelkerzen werfen". Rein juristisch hat Dr. Weiss vielleicht Recht. Nur eines ist ihm irgendwann verloren gegangen: das Gespür für die Stimmung der Sachsen. Von ihnen fahren nämlich die wenigsten einen Mercedes S600, obwohl die meisten hart arbeiten.
(von Dietrich Nixdorf)