Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 10.03.2004

Seltsam entrückt von der Realität

Wie die Führung des Innenministeriums Vorwürfe gegen Landespolizeichef Pilz und Staatssekretär Antoni abstreitet
 
Dresden. Angegriffen, von den Spuren eines Dauerabwehrkampfes gezeichnet wirkt der Landespolizeipräsident. Erstmals wagt sich Eberhard Pilz aus der Deckung. Überbordend ist der Druck, der in den vergangenen Tagen entstanden war. „Staatsanwalt jagt Sachsens Polizeichef" hatte gestern ein Boulevardblatt getitelt. Die massiven Vorwürfe haben die Staatskanzlei aufgeschreckt. In der Regierungspressekonferenz sitzt neben Pilz jener Mann, der ihn ins Amt gehievt hat und dem sein Minister Hörst Rasch blind vertraut: Staatssekretär Michael Antoni.

Souverän gibt sich der doppelt promovierte Staatssekretär, alert will er die Fragen an sich abperlen lassen. „Spekulationen, Vorverurteilungen„ heißt die Abwehrtaktik. Sein Minister hält die Fragen „für so abwegig", dass er nicht persönlich erscheint. Seltsam fröhlich" beschreiben Beobachter Horst Rasch, seitdem er auf die letzten Monate seiner Amtszeit zusteuert. Durchhalten, abstreiten lautet die eine Erklärung seiner Verdrängungsstrategie, die ihn wie von der Realität entrückt erscheinen lässt. Die andere unterstellt ihm taktische Finesse: Wenn sich Antoni und Pilz um Kopf und Kragen reden, dann war er nicht dabei.

Zuviel ist hoch gekocht in den vergangenen Monaten, um Außenstehenden den Durchblick zu erhalten. Anton nutzt das, um mit amtlich klingender Stimme, allen Verdächtigungen um Rechtsverstöße die Spitze zu nehmen. Wie er es sich erkläre, dass die Strukturen in seinem Haus als ungeordnet bezeichnet werden, dass sich Mitarbeiter drangsaliert fühlen, dass PilzKritiker aus dessen unmittelbarer Nähe entfernt würden? Er gehe jedem Vorwurf nach, versicherte der Staatssekretär treuherzig, ja er fordere Mitarbeiter sogar auf, sich zu offenbaren.

Mit diesem missionarischen Verständnis bemüht sich Anton auch, die Razzien in der Landespolizeischule zu begründen. Keine Revanche gegen Polizeireform-Kritiker, kein Mobbing gegen leitende Mitarbeiter, die man zu Gegnern erklärte, als sie gegen den Korpsgeist verstießen? Alles stütze sich lediglich auf die Anfragen des SPD-Aufklärers Karl Nolle und dessen Beschwerde beim Ministerpräsidenten, nicht umfassend informiert worden zu sein, lautete die Erklärung.

Legitim sei es, dass die massiv von der Amtsmacht bedrängten Polizisten anwaltliche Unterstützung in Anspruch genommen haben, nachdem sie sich von ihrem Dienstherrn nicht mehr gegen dubiose Vorwürfe geschützt sahen, räumte Antoni ein. Um zugleich neue Nebelkerzen zu zünden: Das Einschalten eines Anwalts habe nichts mit den Untersuchungen gegen den Polizeiverein zu tun, sondem hätten ganz andere Gründe". Es wäre schön zu erfahren, was der Staatssekretär damit meint, reagierte darauf Rechtsanwalt Mark Hirschmann.

Nicht überraschen kann bei dieser Gemengelage, dass auch ein schwer wiegender Verdacht dementiert wird: Absurd sei es, dass Telefonate abgehört werden, sagt Antoni. Das könne die Polizei nicht ...
(von Hubert Kemper)

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