Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 12.03.2004

Krise um Polizeiführung zieht weitere Kreise

Pilz-Affäre lähmt Innenministerium - Scharfe Rüge der Landespressekonferenz an Rasch-Sprecher - Streit um geparkten Spenden-Überschuss
 
Dresden. Fragen, die seinen Affäre belasteten Landespolizei-Präsidenten Eberhard Pilz betreffen, weicht der politisch Verantwortliche aus. Eine kurzfristig verordnete Pressekonferenz überließ Innenminister Horst Rasch am Dienstag seinem Staatssekretär Michael Antoni. Gestern flüchtete Rasch aus dem Innenausschuss des Landtages, bevor ihn die SPD-Fraktion mit 20 Fragen zu Pilz stellen konnte. Wissen wollte die Opposition unter anderem, in welchen Angelegenheiten und wegen welcher Vorwürfe die Staatsanwaltschaft gegen Pilz ermittelt und ob auch die neue Anti-Korruptionstruppe Ines eingeschaltet ist. Außerdem interessiert die SPD, welche disziplinarischen Vorermittlungen aufgenommen worden sind.

Die Affäre Pilz hat sich längst zu einer Affäre Innenministerium entwickelt. Gestern rügte die Landespressekonferenz ungewöhnlich scharf die Pressearbeit des Rasch Hauses. Im Mittelpunkt der in einem offenen Brief geäußerten Kritik steht die Weitergabe schriftlich eingereichter Fragen, unter anderem der „Freien Presse". „Es ist völlig inakzeptabel", heißt es in dem Brief an Ministeriumssprecher Thomas Uslaub, „wenn Kollegen künftig davon ausgehen müssen, dass Ergebnisse ihrer Recherchen durch das Ministerium ganz oder teilweise vorab veröffentlicht werden."

Heftig tadelt die Landespressekonferenz, dass Fragen in letzter Zeit unvollständig, schleppend, teilweise gar nicht mehr beantwortet werden. Keinerlei Verständnis zeigen die Journalisten für die „öffentliche Diffamierung einzelner Kollegen", wie zuletzt auf einer Pressekonferenz geschehen. Die Zusammenarbeit mit dem Ministerium wird als „akut gestört" bezeichnet.

Noch härtere Töne schlagen PDS und SPD an. Rasch sei handlungsunfähig, sein Ministerium fachlich gelähmt, sagte Steffen Tippach, innenpolitischer Sprecher der PDS. Wenn die Regierung den Fall treiben lasse, müsse das Parlament handeln. Thomas Jurk, SPD-Fraktionschef, nannte Rasch eine Marionette, deren Fäden von Staatssekretär Antoni gezogen werden. Zusammen mit Pilz müsse auch Antoni sein Amt quittieren.

Sorgen, das lädierte Image von Pilz könne sich auf die gesamte Polizei übertragen, bestätigen führende Gewerkschafter. „Wenn das Ministerium, das eigentlich eine weiße Weste haben sollte, täglich mit Negativ-Schlagzeilen belastet ist, färbt das auf das Ansehen der gesamten Polizei ab", sorgt sich Andreas Steinecke, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund. Der Hauptkommissar fordert ein „rigoroses Durchgreifen". Mangel an Glaubwürdigkeit des Innenministers beklagt Matthias Kubitz, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft (GdP).

Inzwischen hat das Chaos in der Polizeiführung auch zu einem Streit zwischen den beiden Gewerkschaften geführt. Dabei steht die Verwendung von Spenden für flutgeschädigte Polizisten im Mittelpunkt. Rund 1,2 Millionen Euro wurden gesammelt. Das Geld floss nicht auf ein neutrales Spendenkonto, sondem auf Wunsch von GdP-Chef Kubitz auf das Konto des Polizeiunterstützungsvereins. Vorsitzender ist hier Kubitz, Schatzmeister Uslaub.

Über eine Verwendung der Spenden hat der Verein bisher noch keine Rechenschaft abgelegt, beklagt Steinecke, obwohl zum 31. Dezember 2002 das Konto geschlossen werden sollte, um weitere Spendengelder auf einem zentralen Konto des Freistaates zu sammeln. Es gebe ethische Grundsätze, die gegen die Weitergabe der Adressaten und der Höhe der Spenden sprechen würden, begründete Kubitz das Zuklappen der Bücher. Sein Schatzmeister Uslaub, der gestern trotz gegenteiliger Absprache wieder in eigener Sache Stellung zum Verein nahm, überraschte mit zwei Mitteilungen: Nicht 1,2 Millionen, sondern 1,3 Millionen Euro habe der Verein eingenommen. Davon ist erst eine Millionen Euro ausgezahlt worden. Abgerechnet werden soll „frühestens" im Oktober 2004 sagte Uslaub.

„Der Überschuss von 300.000 Euro soll an den Hauptspender, den Arbeitersamariterbund, zurückgezahlt werden", sagte Kubitz. Mehr als anderthalb Jahre nach der Flut wollen die Polizei-Sammler Konsequenzen ziehen. „Die Verantwortlichen haben nicht alle Tassen im Schrank", kommentierte SPD-Aufklärer Nolle den Fall und sprach von einem “Anfangsverdacht für das Einschreiten des Staatsanwalts".

Kritik an seiner Amterhäufung will GdP-Chef Kubitz, der außerdem Vorsitzender des Sozialwerks der Polizei und Mitglied des Hauptpersonalrats ist, nicht zulassen. Das 1992 gegründete Sozialwerk, eine 100-prozentige Tochter der GdP, bezeichnet er als Wirtschaftsunternehmen, das Polizisten Rabatte beim Autokauf oder Urlaubsbuchungen verschaffe.
(von Hubert Kemper)

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