DNN/LVZ, 15.03.2004
"Onkel Manfred" und die nervöse SPD-Basis
Leipzig. Genossen, die Manfred Stolpe näher kennen, nehmen den Auftritt achselzuckend hin. "Der Mann wird halt langsam alt", murmelte am Sonnabend ein führender Sozi nach der Rede des fast 68-jährigen Bundesministers auf der Leipziger SPD-Regionalkonferenz. Mit aufklärerischer Attitüde hatte Stolpe über den Einfluss von Internet und Handy auf die Gesellschaft, die Öffnung der Märkte und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche doziert ohne Neues zu sagen. Jüngere Genossen fühlen sich für dumm verkauft. "Politik ist eigentlich anders", stöhnt eine Genossin.
Doch die 150 Parteifreunde, die in die "Garage" nach Leipzig-Plagwitz gekommen waren, sind auch zu artig, um den Verkehrsminister zu kritisieren. Kein Wort über das Lkw-Maut-Drama, keine Kritik an der künftigen Leuchtturmpolitik des Aufbau-Ost-Ministers, der für diverse Pleiten in Brandenburg Verantwortung trägt. Leipzigs Ex-Uni-Rektor Cornelius Weiss fordert, statt Elite-Unis eher Spitzenfakultäten zu fördern, ein Fahrlehrer klagt über die Geldverschwendung im Gesundheitswesen und ein Arbeitsloser berichtet, dass er mit dem Arbeitslosengeld II seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. "Onkel Manfred" hört zu, lässt notieren und verspricht, alles mit seinen Kabinettskollegen zu besprechen. So erstickt man Debatten im Keim. Manchen im Saal bleibt nur der Trost, dass es bei der Dresdner Regionalkonferenz mit dem designierten Generalsekretär Klaus Uwe Benneter schlimmer war.
Erst mit Spitzenkandidat Thomas Jurk und Parteichefin Constanze Krehl, die bei der Landtagswahl die absolute CDU-Mehrheit brechen wollen, "um vielleicht auch regieren zu können", so Krehl, wird es lebhafter. Jurk skizziert Ideen fürs Wahlprogramm, wirft Regierungschef Georg Milbradt Versagen in der Bildungspolitik und Ungerechtigkeiten in der Steuerpolitik vor. Der Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber sagt mit Blick auf jüngste Affären, Milbradt wolle die "Burg Leipzig" für die Oberbürgermeisterwahl 2005 schleifen und opfere dafür Olympia.
Doch scharfe Debatten gibt es nicht. Nach dem Personalkrach um Jurk und Krehl und vor der Aufstellung einer Landesliste wirkt die Partei stark verunsichert. Krehl, die am 13. Juni auch für die Europawahl kandidiert, stellt indes auf Drängen klar, dass sie nicht beide Mandate ausüben werde. "Das geht de jure, aber nicht in der Praxis." Auf welches Amt sie verzichtet, lässt sie offen. Nur der kämpferisch wirkende Jurk beschwört zum Schluss prosaisch den Teamgeist: "Gemeinsam zum wir." Der Applaus ist verhalten.
(von Sven Heitkamp)