Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 17.03.2004

Im Kampf mit dem Polizeichef geht Innenminister volles Risiko

Der Streit eskaliert - Rasch zeigt den Pilz-Vorgänger Bernd Groh an
 
Dresden. Der bedrängte sächsische Innenminister Horst Rasch und sein angeschlagener Apparat haben die Schützengräben verlassen. Gestärkt mit pflichtschuldigst ausgesprochenen Durchhalte-Parolen und kräftiger Ermunterung durch den Ministerpräsidenten das Aufklärungstempo zu forcieren, schlägt das Innenministerium den Offensivkurs ein. Sichtbarstes Zeichen für die Eskalation des Streits um den Landespolizeipräsidenten Eberhard Pilz sind drei Strafanzeigen. Zwei gehen an die Adresse der Landespolizeischule Bautzen und dessen Leiter Gerd Ley, die andere bleibt im eigenen Hause: Sie richtet sich gegen Bernd Groh, Leiter der Zentralabteilung und Vorgänger von Pilz im Amt des Landespolizeipräsidenten.

Wie vor einer Woche stellt sich Pilz den Fragen der Presse, diesmal assistiert von seinem Innenminister. „Substanzlos" und »ungeheuerlich" nennt Rasch die Vorwürfe gegen Pilz. Es handele sich um eine „infame Rufmordkampagne". Dann schießt Rasch mit schwerem Kaliben „Für den Fall, dass die möglichen intriganten Heckenschützen bekannt werden, drohen ihnen schwere Konsequenzen."

Rückblende auf die Wurzeln einer Affäre, die längst das Ansehen der sächsischen Polizei beschädigt hat: Sie begann mit der Berufung von Pilz am 17. Dezember 2002. Rasch hatte sich nach einem neunmonatigen Vakuum für den damaligen Dresdner Polizeipräsidenten entschieden. Pilz, der 1gg1 aus Bayem zunächst nach Chemnitz gekommen war, hatte den Aufstieg ohne die fälligen Prüfungen geschafft. Das löste Unmut bei Rivalen aus. Rasch musste sich den Vorwurf machen lassen, einen »pflegeleichten" Mann gewählt zu haben, der allerdings dicht vor der Pensionsgrenze stehend, die schwierigeAufgabe der Polizeireform meistern könnte. Bei der Verschmelzung von bisher 13 Direktionen und drei Präsidien zu sieben Direktionen entschärfte Pilz bisher Konfliktpotenzial. Polizeiführer charakterisieren die zwei Seiten seines Wesens: Mit Jovialität und Gastfreundschaft schaffe er Vertrauen, zugleich sei er extrem misstrauisch und scheue sich nicht, selbst sein engstes Umfeld ausspionieren zu lassen.

Anonyme Briefe, die seine Führungsstärke und moralische Integrität anzweifelten, machten frühzeitig auf Machtkämpfe im Innenministerium aufmerksam. Eine Strafanzeige gegen unbekannt blieb ohne Ergebnis, das Ministerium bezog auch die "Freie Presse" in die Untersuchungenein.

Arger über den schleppenden Fortgang der Polizeireform brachte Pilz im November 2003 erneut in die Schlagzeilen. Erstmals kam die Landespolizeischule Bautzen ins Gerede. Sie wehrte sich vergeblich gegen einen Bedeutungsverlust. Leitende Mitarbeiter, die sich gern in Kreisen politischer Spitzen des Landes sehen ließen, gerieten in Verdacht, kritische Informationen an die Presse lanciert zu haben.

Den Hebel, gegen die vermuteten Kritiker vorzugehen, lieferten Landtagsanfragen des SPD-Abgeordneten Karl Nolle. Ihn interessierte die Tätigkeit eines ;,Förderkreises Demokratie und innere Sicherheit" (FDS), dem maßgebliche Mitarbeiter der Polizeischule, aber auch des Ministeriums angehören. Nolles Anfragen lösten zwei Razzien. wegen des Vorwurfs der Nutzung von Dienstcomputern zu Vereinszwecken aus. Die Intensität, in der die Aktion betrieben wurde, machte die Frontstellung bereits deutlich. Der Anwalt der Bautzener Schule beklagte massives Mobbing durch das Ministerium. Im Zentrum der Kritik stand Staatssekretär Michael Antoni. Der Amtschef und Pilz-Förderer
hatte die Durchsuchungen auch auf einen Sondererlass zur Korruptionsbekämpfung veranlasst. Die Ermittlungen durch einen Prüfer des Finanzministeriums waren nach einem Skandal um den Korruptionsbekämpfer im Ministerium zögerlich eingeleitet worden.

Bis zum 31. März werde er das Ergebnis der internen Prüfung vorlegen, versprach Rasch gestern. Schon jetzt reichen ihm offenbar Erkenntnisse, um Strafanzeigen zu erstatten. Von Betrug, Untreue, Nötigung und Strafvereitelung im Amt ist die Rede. Claus Bogner, Leiter der neuen Antikorruptionseinheit „Ines" will nur den Eingang der Anzeigen, nicht aber den Inhalt bestätigen. Der Mitarbeiter einer nachgeordneten Einrichtung des Innenministeriums" habe die Anzeige gegen den Ex-Landespolizeichef Groh und zwei Bautzener Polizeimitarbeiter gestellt, bestätigte Rasch.

An Rücktritt denkt der amtierende Chefpolizist Pilz nicht - obwohl ihn inzwischen die Vergangenheit eingeholt hat - mit Vorwürfen, die ihn auch hier in die Klemme bringen. Damals in Bayern wie heute geht es um Alkoholprobleme, Umzugshilfen durch Beamte, hierzulande auch um sexuelle Belästigungen. In Bayern sei alles eingestellt worden, ließ Pilz gestern schriftlich verteilen. Warum zwei Beamte, die ihn beschuldigt hatten, zwangspensioniert wurden ließ er offen.

Hierzulande steht der Innenminister eisern hinter ihm. Von den staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen erhofft sich Rasch einen schnellen Freispruch für Pilz. Die Vorwürfe seien substanzlos. Allerdings macht ein Rasch-Satz den Pilz Kritikern Hoffnung: „Wenn nur ein Bruchteil der behaupteten Vergehen wahr wäre, würde das genügen, die betroffenen Personen auf Ewigkeit in die Wüste zu schicken." Auf Nachfrage bestätigte das Innenministerium, dass Pilz gemeint sei.
(von Hubert Kemper)

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