Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 27.03.2004
"Wir hatten in der DDR auch Angst"
CDU-Fraktionschef Hähle zur Affäre Pilz: Entlassung nur mit belastbaren Vorwürfen - Urteil über den Innenminister
Dresden. Die Negativ-Wirkung der Affäre um die Polizei-Führung werde nicht spurlos an den Wählern vorbeigehen, fürchtet der Fraktionsvorsitzende der CDU im sächsischen Landtag, Fritz Hähle. Im Gespräch mit Hubert Kemper und Christian Meier stellte sich Hähle nicht bedingungslos hinter Landespolizeipräsident Eberhard Pilz. „Ich warte auf Untersuchungsergebnisse."
Freie Presse: Regierung und Fraktion wollten die Affäre Pilz anfangs gern herunterspielen. Uberrascht Sie die Zuspitzung?
Fritz Hähle: Nein, denn wir haben damit dass in der Vorwahlkampfzeit so etwas hochkocht.
Freie Presse: Also alles üble Propaganda?
Hähle: Inhaltlich kann man unserer Politik nichts anhaben. Jetzt versucht man es auf diesem Niveau. Natürlich geht das an den Wählern nicht spurlos vorüber. Die Wirkung wird aber begrenzt bleiben, wenn wir uns an Recht und Gesetz halten.
Freie Presse: Ihre Innenpolitiker verschanzen sich mit Ergebenheitsadressen hinter der Regierung. Sieht so mutige Wahrnahme eines freien Mandatsaus?
der Opposition nicht mitübemehmen. Sie ist zahlenmäßig zwar schwach, doch in der Wahl der Mittel unterschreitet sie das bisherige Niveau. Ich bestreite nicht, dass sie von ihrem Recht Gebrauch macht
Freie Presse: Die Polizei kommt seit Monaten nicht aus den SkandalSchlagzeilen heraus. Beginnt der Fisch nicht am Kopf zu stinken?
Hähle:. Das Hauen und Stechen in der Führung ist fürchterlich und sicher auch eine Folge des Postengerangels beim Zuschnitt der neuen Direktionen. Aber was wird eigentlich Pilz konkret vorgeworfen?
Freie Presse: Sie kennen die Vorwürfe und stellen sich dennoch hinter den angeschlagenen Polizeichef?
Hähle: Ich kann nicht von dem Prinzip abweichen,, dass niemand verurteilt wird, ohne dass Beweise vorlie&en. Kennen Sie welche?
Freie Presse: So lange Menschen Angst vor Repressalien haben müssen, werden sie mit Beweisen hinter dem Berg halten. Berührt es Sie als christlich geprägten Menschen nicht, dass der Personalrat eines Ministeriums seinem Minister Einschüchterungsversuche vorwirft und zur wahrheitsgemäßen Aufklärung von Vorwürfen Zeugenschutz verlangt?
Hähle: Zeugenschutz zu verlangen heißt doch Mangel an Zivilcourage befürchten, wenn er in einem Rechtsstaat die Wahrheit sagt?
Freie Presse: Vielleicht Erinnerungen an die DDR-Zeit und Zweifel, sich dem Vorgesetzten anvertrauen zu können.
Hähle: Wir hatten in der DDR auch Angst, etwas zu sagen. Sie war damals auch berechtigt. Dann haben die Bürger Mut bewiesen und den aufrechten Gang zurückgewonnen.
Freie Presse: Der Eindruck drängt sich auf Sie verteidigen einen Spitzenbeamten, weil sie sich nicht öffentlichem Druck beugen wollen
Hähle: Falsch. Wir warten auf Untersuchungsergebnisse. Wir können einen Laufbahnbeamten wie Eberhard Pilz nicht einfach entlassen, ohne dass es belastbare Vorwürfe gibt.
Freie Presse: Insidern in ihrer Fraktion ist die Berechtigung etlicher Vorwürfe über den Landespolizeipräsidenten bekannt. Wollen Sie ihn nur stützen, weil ihn der Innenminister bereits freigesprochen hat?
Hähle: Wir sprechen über Pilz. Wer etwas über ihn mitzuteilen hat, soll zu mir kommen. Und ich verspreche, dass ich die Quelle schützen werde.
Freie Presse: Wenn Sie auf die knapp zweijährige Amtszeit von Innenminister Rasch zurückschauen. Was fällt Ihnen Positives ein?
Hähle: Er ist ein aufrechter Mann, der seinen Grundsätzen folgt und es vermeidet, sich von anderen etwas aufdrücken zu lassen.